Digitales Turnier in Remscheid Jochen Keller schnappt sich Stadtmeistertitel im Schach

Remscheid · Jochen Keller (53) hat den Titel des Remscheider Stadtmeisters im Schach schon mehrfach nach Hause geholt. Zum ersten Mal in seinem Leben musste sich der gymnasiale Mathematiklehrer dafür jedoch gar nicht erst von zu Hause wegbewegen.

 Jochen Keller spielte schon vor der Pandemie Digital-Schach.

Jochen Keller spielte schon vor der Pandemie Digital-Schach.

Foto: Jochen Keller

Denn seit dem Startschuss am 10. Mai wurden alle sieben Runden der Meisterschaft bis zum Finale am vergangenen Sonntag digital ausgetragen.

Was wegen des Corona-Risikos anders nicht möglich war, bedeutete eine Premiere in Remscheids Schach-Geschichte. Eine, die aus Sicht der beiden Turnierleiter Holger Freiknecht und Ralf Barten von Schwarz-Weiß Remscheid geglückt ist. „Wir sind rundum zufrieden mit dem Verlauf“, betont Freiknecht, der wie Barten auch selbst mitgespielt hatte und sich auf einem der oberen Ränge platzieren konnte. Nur einen Platz vor ihm, auf Rang sechs, landete derjenige Spieler, in dem alle Teilnehmer den haushohen Favoriten gesehen hatten. „Ich gebe zu, dass auch ich felsenfest damit gerechnet hatte, dass es erneut Alptug Tayyar sein würde, der wie im Vorjahr zum Titel durchrauscht“, sagt Freiknecht, der seinen ehemaligen Zögling noch bis vor zwei Jahren bei SW Remscheid trainierte. Auch Überraschungssieger Keller hatte nicht erwartet, einen Spieler wie Tayar in der vierten Runde schlagen zu können. Immerhin trete er mit der
1. Mannschaft des SW Remscheid nur in der Verbandsliga an.

Tayyar hingegen, der vor zwei Jahren am Gertrud-Bäumer-Gymnasium sein Abitur machte und nun studiert, „spielt in normalen Zeiten zwei Klassen über den Besten aller übrigen Teilnehmer dieses Turniers“. Woran es gelegen haben könnte, dass nicht das junge Ausnahmetalent, sondern er selbst „als inzwischen vom Zenit herabgestiegener Schachspieler das Rennen gemacht hat“, sei reine Spekulation. Indes sei ihm sicher entgegengekommen, „dass ich auch in Vor-Corona-Zeiten bereits leidenschaftlich gerne Digital-Schach gespielt habe“.

Anders als Tom Niklas Arnz, der sich als bester Jugendlicher des Turniers nur einen halben Punkt hinter dem Vize-Meister und promovierten Chemiker Uwe Westeppe von SW Remscheid als Dritter platzieren konnte. Der 19-jährige Hückeswagener durfte als Spieler der Schachfreunde Lennep ebenso bei der Meisterschaft mitmischen wie der fünffache Turniersieger Keller aus Köln, der selbst 20 Jahre nach seinem Umzug an den Rhein „immer noch loyal für SW Remscheid antritt“. Doch während Keller zugibt, „eigentlich nur noch bei Mannschaftswettkämpfen an einem realen Brett zu sitzen“, bezeichnet sich Arnz trotz seines jugendlichen Alters als „ein mit Leib und Seele analoger Schachspieler“. Weshalb er sich auch „fast bei jeder Partie der Meisterschaft ein Schachbrett neben dem Notebook aufgebaut“ habe. Darauf habe er dann „jeden Zug aus dem System sofort nachgespielt“. So sei das auch in der finalen Partie gewesen, in der er gegen Keller antreten musste und unerwartet ein Remis herbeiführen konnte: „Hätte ich nur auf der Plattform gespielt und nicht noch das Brett neben mir gehabt, hätte ich sicher mehr Fehler gemacht und vielleicht sogar den Überblick verloren.“

Ein Problem, mit dem „vom Hörensagen her auch andere Spieler des Turniers zu kämpfen hatten“. Arnz glaubt, dass es möglicherweise diese Schwierigkeiten anderer Teilnehmer gewesen sein könnten, „die mir dabei geholfen haben, überraschend so weit nach vorne zu kommen“. Denn von der Wertungszahl her habe er zu Beginn der Stadtmeisterschaft in der Tabelle nur den zwölften Platz eingenommen. Sein ehemaliger Trainer Freiknecht mag so viel Bescheidenheit nicht gelten lassen: Arnz sei „mit Abstand der beste Jugendliche“ gewesen. Er habe „ein fantastisches Turnier gespielt“. Auch wenn im Vorfeld schon viele „sein besonderes Talent“ erkannt hätten, „hatte man ihm in diesem doch sehr starken Teilnehmerfeld einen Platz auf dem Podest noch nicht zugetraut“. Nun empfiehlt Freiknecht der Schach-Konkurrenz in der Stadt, sich den Namen Arnz mit Blick auf die nächste Stadtmeisterschaft im kommenden Jahr gut zu merken.

Freiknecht hofft, „dass diese Meisterschaft wieder analog stattfinden kann“. Denn auch wenn es mit dem digitalen Turnier überraschend gut geklappt habe: „Es fehlt die unmittelbare Begegnung an den Brettern.“ Eine Ansicht, die Stadtmeister Keller teilt: „So gerne ich Online-Schach spiele – es geht doch nichts über eine gute Analyse im Schachlokal direkt im Anschluss an eine Partie.“ Zwar gebe es für Analysen theoretisch auch eine Sprachfunktion auf dem Server: „In der Praxis funktioniert das aber nicht wirklich gut.“ Womit es am Ende häufig auf Chatten hinauslaufe, und das sei „nun wirklich nicht vergleichbar mit einem persönlichen Gespräch“.

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