Remscheid Remscheid ist überschuldet

Remscheid · Erstmals hat die Verwaltung jetzt eine Bilanz nach kaufmännischen Regeln erstellt. Die Zahlen zeigen, dass die Stadt immer höhere Kredite anhäuft und gleichzeitig ihr Eigenkapital verzehrt.

Würde ein Unternehmer einen solchen Jahresabschluss vorlegen, er müsste ernsthaft um sein Lebenswerk bangen: Erstmals hat die Remscheider Stadtverwaltung jetzt einen Bilanzentwurf nach kaufmännischen Grundsätzen angefertigt — mit tiefroten Zahlen. Er wurde gestern im Finanzausschuss als erstem politischem Gremium thematisiert und muss bis Ende 2009 abgesegnet werden.

Das Rechnungswesen der Städte in NRW wird auf das "Neue Kommunale Finanzmanagement" umgestellt. Das bedeutet, dass Einnahmen und Ausgaben nach betriebswirtschaftlichen Regeln in einer Bilanz zusammengefasst werden. Das soll zu einer besseren Kostenkontrolle führen.

Das 64 Seiten umfassende Werk wird dem Anspruch zu mehr Transparenz durchaus gerecht. Die Darstellung der Zahlen ist übersichtlich. Doch sie offenbaren auch, dass sich der städtische Etat in einem desaströsen Zustand befindet. "Streng genommen müsste die Stadt Remscheid bei Vorlage dieser Eröffnungsbilanz nach den Regeln des Handelsgesetzbuches gleichzeitig die Insolvenz anzeigen", schreibt Übergangs-Kämmerer Burkhard Mast-Weisz in seinem Lagebericht. Deutsches Recht sieht Insolvenzen von Gemeinden allerdings nicht vor.

Steueraufkommen ist zu gering

Remscheid ist nicht zahlungsunfähig, aber überschuldet. Bilanzkennzahlen zeigen, dass die Tilgung aus eigener Kraft zurzeit nicht möglich ist. Nicht zuletzt deshalb, weil das zu allem Übel auch noch sinkende Steueraufkommen schon jetzt zu gering ist. Das führt zu einer jährlichen Neuverschuldung, die zum Großteil mit Krediten ausgeglichen wird. Nun hat die Stadt Remscheid ein erkleckliches Eigenkapital, das, wie in der Privatwirtschaft auch, zur Sicherung von Krediten oder zur Verbesserung der Liquidität dienen könnte. Firmen wie Edscha oder Alexanderwerk haben ihr "Tafelsilber", bestehend aus firmeneigenen Immobilien, schon verkauft. Da das Eigenkapital der Stadt aber zum Großteil aus kaum veräußerbarem Vermögen besteht, wie Schulen, Straßen, Brücken, stößt diese Parallele zur Privatwirtschaft schnell an ihre Grenzen.

Besorgniserregend ist auch die Entwicklung der Investitionen, die in der Regel kreditfinanziert sind. Sie sinken, weil die Stadt wegen ihrer desolaten Haushaltslage nicht mehr so hohe Kredite aufnehmen darf. Damit werden Abschreibungen, durch das neue Rechnungswesen erstmals im städtischen Haushalt verankert, durch Investitionen nicht mehr ausgeglichen. Abschreibungen bilden den Werteverzehr durch Abnutzung an Gebäuden und Maschinen ab.

Das Missverhältnis führt dazu, dass der Wert des Eigenkapitals sinkt. Im Jahre 2012 ist es, rein rechnerisch, aufgebraucht. Dann stehen — ebenfalls rein rechnerisch — der Stadt keine Sicherheiten mehr zur Verfügung. Ist sie für Banken dann noch kreditwürdig? Keiner weiß die Antwort. Die Sorge wächst.

(RP)
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