Remscheider Künstler Hakan Eren kennt keine kreativen Grenzen

Remscheid · Der 28-jährige Remscheider hat seinen Abschluss an der Kunstakademie in Düsseldorf gemacht. Von ihm lernt man viel über Durchhaltevermögen.

Den Hubschrauber hat Hakan Eren mit einem Schüler gebastelt.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Durch den Flur tanzen Klaviertöne, der helle Holzboden leuchtet. Hakan Eren sieht sich um. Dreimal in der Woche unterrichtet der 28-Jährige hier Kunst. Dann wirbeln Kinder zwischen sechs und 13 Jahren durch die Kunst- und Musikschule. Hakan Eren unterstützt sie dabei, Künstler zu sein. „Die beste Art, ihre Kreativität zu fördern, ist es, ihnen Freiheit zu geben“, sagt er. Dabei leuchten seine Augen ein bisschen.

Er selbst war schon Anfang 20, als er diese Freiheit zum ersten Mal spürte, als die Grenzen aus seinem Leben für eine Weile verschwanden. Damals wurde er als Student an der Kunstakademie in Düsseldorf aufgenommen. „Plötzlich durfte ich alle Fragen stellen, alle Materialen ausprobieren und mich in aller Freiheit meiner eigenen Identität stellen“, sagt Hakan Eren. Das gelang ihm so erfolgreich, dass er jetzt seinen akademischen Abschluss an der renommierten Akademie machte, seine Werke der Kunstwelt vorstellte und dafür gefeiert wird.

Wenn der 28-Jährige zurückblickt, dann spricht er vom Scheitern, vom Aufstehen und Weitermachen. „Das war wirklich ein langer, langer Weg“, sagt er. Der begann als Klassenclown in der Grundschule. Dann diagnostizierten die Experten eine Lese- und Rechtschreibschwäche und schickten ihn auf die Förderschule. „Aber der Kopf versucht das zu kompensieren, was man nicht kann“, sagt er heute, „und deswegen begann ich früh, die Dinge in Bildern zu analysieren.“ Er suchte die Momente der Einsamkeit, stöberte in der Stadtbibliothek in Comics. Und dann lag da eines Tages ein Bildband über Leonardo da Vinci. „Ich wusste nicht, wer das war, aber mich faszinierten seine technischen Erfindungen“, erzählt Eren.

Er begann zu zeichnen, meldete sich zum Kursus in der Kunst- und Musikschule an. „Ich hatte noch kein Museum von innen gesehen“, sagt er, „und in meiner Familie war es nicht üblich, sich mit Kunst zu beschäftigen.“ Ganz im Gegenteil: Seine Eltern waren irritiert von den Begabungen des Sohnes – sind es noch. „Also nahm ich mich auch selber nicht so ernst“, sagt Eren. Dazu kam, dass auch in der Schule keine großen Zukunftspläne für die Schüler geschmiedet wurden. Die Gefahr sei, dass man hinnehme, was die Menschen über Grenzen sagen. „Es lag an mir, zu verhindern, dass es so kommt“, sagt er. Also besuchte er die Berufsschule, lernte Hauswirtschaft und Erziehung, spielte mit dem Gedanken, im sozialen Bereich zu arbeiten. Und dann schickte er seine Mappe mit Zeichnungen an die Kunstakademie – und bewarb sich. Er scheiterte schmetternd. „Ich hatte meine spießigsten Zeichnungen eingereicht“, erzählt er, „meine Stoffcollagen, meine ganzen Bastelarbeiten hatte ich gar nicht für Kunst gehalten.“ Dann verstand er: Genau darin liegt aber seine künstlerische Identität, in den Werken, die er mit Heißklebepistole, mit Leidenschaft und freiem Geist „gebastelt“ hatte. Er bewarb sich ein zweites Mal. Nun erkannten die Fachleute an der Akademie das Besondere, stuften ihn als hochbegabt ein und ermöglichten ihm das Studium. „Was für eine Ehre“, flüstert Eren heute.

Dann begann die eigentlich Suche: Statt mit Leinwänden arbeitete er weiter mit der Heißklebepistole und schuf Kunst mit Mechanik. Er entdeckte, dass die Geschichte seiner Eltern, die in den 1980er-Jahren aus der Türkei nach Deutschland gekommen waren, auch seine künstlerische Identität prägte. Er schuf ein Riesenrad, das aus vielen Gondeln besteht, die wie orientalische Hüte aussehen. Am Eingang sitzt als Kassenwart Kemal Atatürk. „Der hat mich als Kind sehr geprägt“, sagt er. Er verwandelte den Burka-Schleier in einer Reihe von fünf Kunstwerken in bunte, helle Stoff-Collagen, die an Blumenwiesen erinnern. Er schuf das Pentagon, kippte es um, ließ es als Riesenrad, bewacht von der Schweizer Garde im Kreis laufen. „Mein albernstes Werk“, sagt er und kichert ein bisschen.

Manchmal hätten die Menschen seine Werke instrumentalisieren wollen. „Was willst du uns damit sagen?“ fragten sie dann. Aber ihm liegt nichts an politischen Aussagen, er ärgert sich, wenn Betrachter meinen, den Islam in seinen Werken zu erkennen. „In meiner Kunst liegt meine Identität“, sagt er, „ich verbinde meine Heimat in Remscheid mit der meiner Eltern in der Türkei. Ich bin mal witzig und mal ernst.“

Irgendwie ist sich Hakan Eren treu geblieben: Manchmal ist er noch ein bisschen Klassenclown. Dann zaubert er mit Ballons und schafft Kunst daraus. Und dann wieder sucht er die einsamen Momente, in denen er zu begreifen versucht, dass er es geschafft hat, als Künstler ernst genommen zu werden.

Ob er wirklich irgendwann vom Verkauf seiner Bilder leben kann, das weiß der 28-Jährige noch nicht – und beschönigt nichts. „Aber wenn du liebst, was du tust, dann hältst du das aus“, sagt er. Und Hakan Eren liebt, was er tut. Ohne Zweifel.