Kultur in Remscheid Ein Haupt voll Wut und Wunden

Innenstadt · Das Theater Hagen zeigte die Kriminaloper „Tosca“ von Puccini im Teo Otto Theater. Eine beeindruckende Aufführung mit Höhen und Tiefen.

 Szene aus der Oper „Tosca“, die in der Inszenierung des Theaters Hagen im Teo Otto Theater zu sehen war.

Szene aus der Oper „Tosca“, die in der Inszenierung des Theaters Hagen im Teo Otto Theater zu sehen war.

Foto: Klaus Lefebre

Wer kein Herz aus Stein hat, den spült die Musik von Puccinis „Tosca“ wie eine Sturmflut gegen Klippen. Es gibt kein Entkommen aus diesem Meer an musikalischen Volten. In manchen Szenen möchte man gerne wegschauen, aber nie weghören, auch wenn die Musik aus dem Orchestergraben keinen Trost mehr verspricht. „Tosca“: eine Kriminalgeschichte. Mord, Folter, Eifersucht – es fehlt an nichts, um tief in den Abgrund der menschlichen Seele zu schauen.

Blaue Augen leuchten von einer großen Leinwand. Das Bild einer Frau skizziert der Maler Cavaradossi. Mit wenigen Pinselstrichen wird ein Gesicht geformt. Bis auf einmal die Hand des Malers heftig mit schwarzer Farbe die überdimensional große Leinwand bearbeitet. Aus dem Blau wird ein Schwarz. Tote Augen schauen einen an, während die Sängerin Tosca dem Maler eine impulsiv launische Eifersuchtsszene macht.

Das Bild aus dem ersten Akt in der Inszenierung des Theaters Hagen antizipiert leichtfüßig, welche Höllenfahrt in den nächsten zwei Stunden das Personal aus Puccinis „Tosca“ erwartet. Eifersucht ist dabei das kleinste Problem, geradezu lächerlich. Am Ende gibt es drei Tote. Und ein anderes Gemälde bestimmt die Szenerie im zweiten und dritten Akt auf der großen Bühne des Teo Otto Theaters. Es zeigt ein Haupt voll Blut und Wunden, das kopfüber hängt und von zwei Händen berührt wird. Es sieht so aus wie eine Röntgenaufnahme, die den Leichnam eines Gefolterten durchleuchtet.

Die Inszenierung von Roman Hovenbitzer ist gekennzeichnet durch ein ziemlich konventionelles Erzählen einerseits, und überraschende Blicke auf das Geschehen andererseits. Es beginnt mit einem kleinen Vorspiel auf dem Theater, um die Theatralität der Handlung herauszustellen. Alles nur gespielt, alles nur Oper. Und am Ende, im dritten Akt, lässt er den von Tosca ermordeten Diktator und Folterer Scarpia nicht untergehen, sondern als schwarzen Engel ihren Weg in den Selbstmord wie ein Fährmann am Flussufer zum Hades genussvoll begleiten. Totenmasken applaudieren in Zeitlupe. Ein starkes Bild.

Es gibt bewegende Momente an diesem Abend. Das ist der großen Qualität der Sänger zu verdanken. Veronika Hallers Stimme besteht aus glühender Bronze. Ihre Tosca weiß durch Leidenschaft zu bezaubern, ohne dass sie in den hohen Tönen flattert. Berührend wie sie langsam erkennt, dass sie verraten muss, um ihren Geliebten Mario von der Folter zu befreien. Während sie das Versteck preisgibt, lässt Puccini das Orchester weinen. Zwischen den Idealen der Kunst und den Fakten der Realität sind alle Brücken abgebrochen. Und im nächsten Moment wieder aufgebaut. Wie in einem Bild von Goya, das die Brutalität des spanischen Bürgerkrieges zeigt, steht blutüberströmt Xavier Moreno als Mario Cavaradossi, der Maler, vor seinem Folterer und singt ein Loblied auf die Freiheit, ein Loblied, in dem Privates und Politisches keine Gegensätze bilden. Zum Niederknien.

Karsten Mewes Scarpia ist ein kahlköpfiger Unhold, der mit Fingerschnipsen seine Schergen kommandiert. Seine Gesten bedienen eher das Klischee eines Diktators, der über Leichen geht, um an seine Liebschaften zu gelangen. So steht er meist breitbeinig in der Mitte der Bühne und tut seinen Hass auf die Welt mit kühler Eleganz kund. Dass Folterer rauchen, hat man schon oft gesehen. Schauspielerisch wirkt der Abend daher etwas unbeholfen. Zu viel Getrippel und Gehaste. Musikalisch aber glänzend.

Remscheids Generalmusikdirektor Daniel Huppert stand am Pult der Bergischen Symphoniker. Ein phänomenaler Klang wehte aus dem Orchestergraben.

Viel Applaus für Darsteller und Musiker.

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