Polit-Kabarett in Remscheid Ein bitterböser Abend in der Klosterkirche

Remscheid · Robert Griess hatte zur „Schlachtplatte: Die Jahresendabrechnung“ die Kolleginnen Sarah Hakenberg, Dagmar Schönleber und Lisa Catena mitgebracht.

Fürs Anrichten der diesjährigen Schlachtplatte hatte sich Robert Griess mit ordentlich Frauenpower verstärkt. Dagmar Schönleber, Sarah Hakenberg und Lisa Catena kamen am Mittwochabend zusammen mit Griess als auf Erden strafversetzte Engelbrigade auf die Bühne geschwebt. Um abzurechnen. Gnadenlos.

Und das wurde direkt bei der Eingangsnummer auf den Punkt gebracht: „Jedes Jahr ist das Schlimmste. Bis das nächste kommt“, sagte Engel Lisa Catena in ihrem reizenden Schweizer Singsang. Es wurden Erinnerungen an alte Lach-und-Schießgesellschaft-Zeiten wach, mit Gesangseinlagen von Dieter Hildebrandt, Wolfgang Neuss oder Sammy Drechsel, als das bitterböse Quartett zu Robbie Williams’ „Let me entertain you“ sang: „Wir rechnen ab. Gnadenlos. Gnadenlos.“

Diese Nummer war die ideale Einstimmung auf die Einzelnummern des Abends. Und die hatten es in sich. Etwa, wenn Griess mit Blick auf Donald Trump sagte: „Wo ist eigentlich die CIA, wenn man sie mal braucht? Einfach mal eine Stadtrundfahrt im offenen Cabrio organisieren.“ Auf das verschämte Lachen des Publikums konterte er bissig: „Ja, hohoho. Ich mache wenigstens nur geschmacklose Witze. Trump macht jeden Tag Dinge, die Millionen Menschen betreffen.“

Dieser freundlich wirkende Herr mittleren Alters hatte Gift in sich. „Könnt ihr das Thema Brexit noch hören? Nein? Tja, da müsst ihr jetzt durch ...“ Oder wenn der Kölner die SPD-Doppelspitze trocken kommentierte: „Warum nicht gleich einen Elferrat? Dann wäre wenigstens jedes Parteimitglied mit dabei.“

Dagmar Schönleber widmete sich dagegen hingebungsvoll der Situation ihrer Geschlechtsgenossinnen. „2019 war ein sehr frauenbewegtes Jahr. Und damit meine ich nicht AKK oder UvdL. Sondern Frauen wie Carola Rackete oder Greta Thunberg“, sagte die Kabarettistin. Das sei sehr gut, denn schließlich hätten junge Frauen sich früher an Germany’s Next Topmodel messen lassen müssen. „So lange Beine – und nur Rückschritte!“

Eine große Leistung des Kabaretts ist ja die Kulminierung gesellschaftlicher Probleme auf kleinem Raum. Und so war ein Satz zur Gleichberechtigung Anno 2019 wie jener umso bitterer: „Frauen werden nicht für das kritisiert, was sie tun. Sondern für das, was sie tun, obwohl sie Frauen sind.“

Sarah Hakenberg war die musikalische Künstlerin des Abends. Nicht nur begleitete sie sich und ihre Kollegen bei den gemeinsamen Nummern, sondern sie nutzte den Flügel auch hingebungsvoll für ihr ganz persönliches Kabarettuniversum.

Etwa, als sie einen düsteren Akkord anschlug. „D-moll, wenn man den rückwärts spielt, wie in Mozarts Requiem, dann schwingt da doch was hörbar Teuflisches mit. Und das ist nichts anderes als: a – f – d.“

Ansonsten widmete sie sich in der Lenneper Klosterkirche politisch angehauchten Alltagssituationen, etwa in Liedern wie „Hilf mir beim Umzug“, in dem sie den „strammen Rechten“ zum Umzugshelfer machte, so dass der rechte Arm zu müde zum Hitler-Gruß würde. Auch „Trau dich“ war eine herrlich anarchische Aufforderung zu zivilem Ungehorsam.

Die Schweizerin Lisa Catena widmet sich hingegen auf wundervoll trockene Art und Weise einem „leichteren Thema“, wie sie sagte. „Und zwar dem Tod.“ Schließlich hätten Schweizer zwei Kernkompetenzen. „Wir bringen uns gerne um. Und wir verdienen Geld. Quasi Asche zu Asche.“

Diese Betrachtungen über das Ableben an sich machten jede Menge Spaß, etwa in Sätzen wie: „Buddhisten sterben ja auch. Nur werden die wiedergeboren.“ Oder: „Wer Sport macht, lebt länger. Ich hab da mal nachgeschaut. Wenn man joggen geht, lebt man um so viel Zeit länger, wie man braucht, um zum Joggen zu gehen.“

Die diesjährige Schlachtplatte lebte aber auch vom großartigen Ensemble-Kabarett. Etwa in einer typischen Frühstückstisch-Szene mit dem bürgerlich-grünen Vater, einer Fridays-for-Future-Tochter, der etwas esoterisch-abgehobenen Mutter und der anderen Fridays-for-Hubraum-Tochter. Das war satirisch-überspitztes Zusammenspiel der Extraklasse.

Beim Anblick dieser hervorragend aufgelegten und noch jungen Kabarett-Kollegen kam leise Hoffnung auf, dass da doch eine neue Generation im Polit-Kabarett heranwächst.

Schlachtplatte Seit dem Jahr 2006 tourt der Kölner Kabarettist Robert Griess bereits mit wechselnden Kollegen und der Jahresendabrechnung kreuz und quer durch Deutschland. Mit dabei waren bereits HG Butzko, Christoph Sieber, Wolfgang Nitschke oder Jens Neutag.

Mehr Informationen gibt’s im Internet unter: www.schlacht-platte.de

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