Stadtführung in Lennep Durch den Monsun

Remscheid · Einmal im Monat zieht Lothar Vieler als Nachtwächter Gustav om Hackenberge durch die Straßen der Lenneper Altstadt. Die letzte nächtliche Führung 2018 wäre allerdings beinahe dem bergischen Wetter zum Opfer gefallen.

 Nach einem wärmenden Gläschen Schnaps machten sich sieben „harte Bergische“ mit Gustav om Hackenberge auf den Weg.

Nach einem wärmenden Gläschen Schnaps machten sich sieben „harte Bergische“ mit Gustav om Hackenberge auf den Weg.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Wenn es am Abend dunkel wird und die meisten Menschen in ihren warmen Häusern verschwinden, beginnt er mit seiner Arbeit – der Nachtwächter. Früher gab es ihn in fast jeder Stadt, heute sieht man ihn kaum. Doch Lennep hat ihn noch.

Einmal im Monat zieht Lothar Vieler als Nachtwächter Gustav om Hackenberge durch die Straßen der Lenneper Altstadt und nimmt dabei Interessierte mit auf seinem Weg durch das alte Lennep. Am vergangenen Freitag sollte die letzte nächtliche Führung für dieses Jahr stattfinden, die jedoch beinahe dem unbeugsamen bergischen Wetter zum Opfer gefallen wäre.

„So etwas wie heute habe ich auch noch nicht erlebt“, sagt Vieler und zieht die Schnalle seines langen Mantels enger. Normalerweise folgen bis zu 40 neugierige Menschen dem Nachtwächter. Diesen Freitag machten sich nach einem wärmenden Gläschen Schnaps sieben „harte Bergische“ auf den Weg in die Vergangenheit der Heimat.

Vieler, der selber gebürtig aus Lennep stammt, kennt viele spannende Geschichten über die Stadt, ihre Entstehung und das Leben der Menschen vor Hunderten Jahren. Anschaulich beschreibt er an den Stationen seiner Führung, wie es damals ausgesehen hat. Die Straßen bestanden nicht aus Pflastersteinen, sondern aus Lehm und wo heute die Schwelmer Straße entlangläuft, war früher ein Flussbett. Der Platz unterhalb des Pumpenplatzes hieß nicht grundlos „schmerige Panne“ (schmieriger runder Platz). Hier stand eine von nur vier öffentlichen Quellen, an der sich die Frauen der Stadt zum Waschen der Wäsche trafen und den neuesten Klatsch austauschten.

Erst nach dem Cholera-Ausbruch 1849, dem 200 Menschen zum Opfer fielen, warfen die Wohlhabenden der Stadt ihr Geld zusammen, um eine Kanalisation zu bauen. Heute zeugen davon noch die alten Abflussdeckel. Auch das zwei Jahre später entstandene erste Krankenhaus entstand aus Eigeninitiative der Bürger.

Lennep erinnert heute auch von den Bauten wenig an die frühere Industriehochburg. In dem Rundling, der bis 1750 noch von einer vier Meter hohen Mauer umgeben war, befanden sich 1800 noch
20 Fabriken, von denen jedoch 1900 nur noch vier erhalten waren. Lennep verfügte bereits 1828 über zwei große Dampfmaschinen und hatte einen hohen Stellenwert in der Industrie. All das hatte aber auch seine Schattenseiten, wie die Kinderarbeit, von der Vieler berichtet. Von den 168 Häusern der Altstadt sind bis auf vier alle erst nach dem großen Stadtbrand von 1746 entstanden. Innerhalb von vier Stunden vernichtete das Feuer die gesamte Stadt, darunter auch den Turm der Stadtkirche, die Welscher Haube, die in acht Jahren schwerer Arbeit neu entstand.

Nicht nur die Stadt durchlebte einen Wandel, auch die Menschen und deren Aufgaben. So legten mit der Einführung der Gasbeleuchtung 1843 die Nachtwächter ihre Arbeit nieder. Gustav om Hackenberge ist einer der letzten seiner Art und brennt für die Geschichte seiner Heimat, die er nur zu gerne an Wissbegierige weitergibt.

„Bei den vielen spannenden Informationen kann eine Führung, je nach Interesse der Besucher, drei Stunden dauern“, sagt Vieler. Auch am Freitag wäre es so gekommen, wären nicht alle nach 15 Minuten nass bis auf die Haut gewesen. 2019 hofft Vieler auf besseres Wetter.

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