Kleingärten in Remscheid Die neue Lust auf das Selbstversorgen

Steinberg · Die Corona-Pandemie hat in diesem Sommer viele Urlaubspläne durchkreuzt. Ganz auf die Auszeit verzichten müssen Remscheider allerdings nicht – schon gar nicht jene, die einen Kleingarten besitzen, wie Karl Michael Velke.

 Karl Michael Velke ist Vorsitzender des zweitgrößten Kleingartenvereins der Stadt.

Karl Michael Velke ist Vorsitzender des zweitgrößten Kleingartenvereins der Stadt.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Denn allein dieser Tage den Sonnenuntergang von der Anlage Steinberg-Heidhof aus zu beobachten, sagt der Vereinsvorsitzende, wecke schon dieses unbeschwerte Urlaubsgefühl.

Seit acht Jahren führt Velke nun schon Remscheids zweitgrößten Kleingartenverein an. Insgesamt 130 Parzellen verteilen sich hier auf eine sehr großzügige aber recht steile Hanglage. Das sei Fluch und Segen zugleich, sagt der Vereinschef. Denn einerseits sei es wegen des Hangs anstrengender Obst und Gemüse anzubauen, als auf einer ebenerdigen Fläche, andererseits belohnt diese Lage die Pächter bei schönem Wetter mit einem traumhaften Weitblick übers Bergische. „Das könnte tatsächlich auch das Besondere an unserer Anlage sein“, sagt der 60-Jährige nach einer Zeit und lässt den Blick über die Wälder bis nach Wuppertal schweifen.

Die Parzellen – allesamt zwischen 300 und 400 Quadratmeter groß – befinden sich in Steinberg, das auf den ersten Blick zwar abgelegen scheint, aber nur wenige Bushaltestellen von der Innenstadt entfernt ist. „Eine grüne Oase mitten in der Stadt.“ Pächter 15 verschiedener Nationalitäten, hauptsächlich viele Deutsch-Türken, haben sich am Steinberg ihr kleines Idyll zurechtgemacht, bauen Obst und Gemüse, Kräuter und viele Blumen an.

Der ursprüngliche Leitgedanke eines Kleingartenvereins, den Pächtern eine Eigenversorgung zu ermöglichen, war schon immer wichtig, hat in den vergangenen Jahren allerdings noch einmal an Bedeutung gewonnen, so Velke. „Mir ist der ökologische Aspekt zum Beispiel sehr wichtig. Ich lege keinen Wert auf einen allzu akkuraten Schnitt. Ich freue mich, wenn es in meinem Garten summt und brummt.“

Außerdem, betont der Vereinschef, merke man auch den geschmacklichen Unterschied zwischen gekauften Tomaten, Möhren oder Kartoffeln und dem eigenen Anbau. „Ich erkenne meine Kartoffeln zum Beispiel sofort“, sagt er und lacht. Auch das sei oftmals ein wichtiger Grund, warum sich mittlerweile wieder viele junge Familien für einen eigenen Kleingarten entscheiden. „Sie wollen ihren Kindern zeigen, wo Obst und Gemüse herkommen – und wie sie es anbauen“, sagt der 60-Jährige.

Im Grunde sei es auch günstiger, etwa Salatköpfe oder Gurken selber anzupflanzen, als im Supermarkt zu kaufen. „Das einzige Problem ist allerdings, dass die Salatköpfe alle gleichzeitig reif werden und man sie gar nicht alle alleine essen kann.“ Familie, Freunde und auch die meisten Kleingartennachbarn, mit denen man über den Gartenzaun tauscht, würden sich allerdings über die Erzeugnisse freuen.

Freie Gärten gibt es am Steinberg schon länger nicht mehr. „Seit zwei bis drei Jahren sind wir sehr gut ausgelastet“, sagt Velke. Natürlich gebe es immer wieder Wechsel, aber einen größeren Leerstand, wie zuletzt noch vor gut 15 Jahren, habe es glücklicherweise schon lange nicht mehr gegeben.

Allerdings, hat der Vorsitzende festgestellt, sei das Interesse nach einem Kleingarten vor allem während des Corona-Lockdowns stark gestiegen. Auch die Mitglieder selbst hätten die Zeit der Schließungen und Kurzarbeit viel häufiger in ihren Gärten verbracht. Denn hier im Grünen – umgeben von Schmetterlingen und Vogelgezwitscher – scheint das Chaos auf der Welt unendlich fern.

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