Lieferengpässe bei Medikamenten in Remscheid Apotheker rät von Hamsterkäufen ab

Remscheid · In Deutschland gibt es aktuell bei zahlreichen Medikamenten Versorgungslücken. Von den Lieferengpässen sind überwiegend rezeptpflichtige Präparate betroffen. Panik sei jedoch nicht angebracht, sagt Apotheker Henning Denkler.

 Henning Denkler, Inhaber der Regenbogen-Apotheke im Kaufland, warnt vor Panikmache.

Henning Denkler, Inhaber der Regenbogen-Apotheke im Kaufland, warnt vor Panikmache.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Seit fast zwei Jahren machen Apotheker in Deutschland auf die anhaltenden Lieferengpässe einiger Medikamente aufmerksam. Durch den Ausbruch des Corona-Virus in China, dem größten Produktionsland wichtiger Wirkstoffe, und dem mit der Epidemie verbundenen Produktionsstopp der chinesischen Werke, werde sich die Situation zuspitzen, prognostizieren Experten.

Panik sei allerdings nicht angebracht, betont Henning Denkler. Der Pharmazeut der Regenbogen-Apotheke im Kaufland und Pressesprecher des Apothekerverbandes Bergisch Land rät Patienten stattdessen zur Voraussicht: „Vieles lässt sich schon dadurch lösen, dass die Patienten sich rechtzeitig um ihre neuen Medikamente kümmern.“

Am besten sei es, das Rezept zwei Wochen vor dem Verbrauch der aktuellen Packung in der Apotheke einzureichen. „So haben wir Apotheker vor Ort zumindest noch die Möglichkeit, bei einer Versorgungslücke in Absprache mit dem Arzt eine Alternative zu besorgen“, sagt Denkler.

Ein Service, der im Hintergrund läuft und den Online-Apotheken nicht bieten, unterstreicht Denkler. Von den aktuellen Lieferengpässen betroffen sind überwiegend rezeptpflichtige Präparate, wie einige Antiepileptika, Antidepressiva, Bluthochdrucksenker oder Antibiotika. Letzteres sei weniger schwerwiegend, weil es viele Hersteller von Antibiotika auf dem Markt gebe und alle eine nahezu identische Wirkung haben, sagt Denkler: „Sorgen machen müssen sich eher die Patienten, die auf eine Arznei angewiesen sind, für die es keine Alternative gibt.“

Das sei etwa der Fall von Antiepileptika oder Antidepressiva. Es gebe zwar Medikamente verschiedener Hersteller, doch diese hätten auch andere Wirkstoffe. „Eine Umstellung von einem Medikament auf ein anderes ist nicht immer so eben möglich.“ Guido Dasbach von der Vieringhauser Apotheke blickt aktuell auf eine sehr lange Defektenliste: „Wir haben 271 Lagerartikel verschiedener Hersteller auf der Liste, die dauerhaft nicht lieferbar sind.“ Größtenteils sei es ein hausgemachtes Problem, sagt Dasbach, verursacht durch Politik und Krankenkassen.

Er beschreibt es am Beispiel der Remscheider Trecknase. „Es gibt Ausschreibungen und der günstigste Anbieter erhält den Zuschlag.“ Ausschlaggebend sei einzig und allein der Preis. Das habe dazu geführt, dass sich die Produktion in den vergangenen Jahrzehnten nach Asien verlagert habe, wo kostengünstiger produziert werde. „Billiger ja, aber auch unter bedenklichen umwelttechnischen Gesichtspunkten.“

Doch das Problem sei nicht nur der Standort, sagt Henning Denkler. Das Problem der Lieferengpässe rühre nämlich aktuell daher, dass es bei der Herstellung der Wirkstoffe mittlerweile Oligopole gebe. Der Markt werde von einigen wenigen Großunternehmen beherrscht und nahezu alle befinden sich – aufgrund von Produktionskosten – außerhalb der EU. Alternativen gebe es also kaum.

Die Auswirkungen des aktuellen Produktionsstopps in China seien aller Voraussicht nach erst im zweiten Halbjahr in Deutschland spürbar, glaubt Henning Denkler. „Wie in allen Produktionen wird jetzt noch der Lagerbestand verkauft und vertrieben, die Großhändler haben auch noch Lagerbestände.“

Jetzt Medikamente zu kaufen und diese dann zu horten, sei bei den aktuell betroffenen Präparaten aufgrund der Rezeptpflicht nicht möglich. Grundsätzlich rät der Fachmann aber bei allen Medikamenten kategorisch von Hamstereinkäufen ab. „Es ist bekannt, dass ein Vorrat an Medikamenten im Haushalt zu einem automatischen Mehrverbrauch führt“, sagt Henning Denkler.

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