Remscheid Reisen in versunkene Welten

Remscheid · Heimatforscherin Marita Jendrischewski hat die Geschichten und Anekdoten der versunkenen Hofschaften des Dhünntals in zwei Büchern aufgeschrieben.

 Heinrich Deitert malte viel in seiner alten Kottenmühle.

Heinrich Deitert malte viel in seiner alten Kottenmühle.

Foto: Marita Jendrischewski

Als Marita Jendrischewski vor zehn Jahren mit den Recherchen zu den versunkenen, ehemaligen Hofschaften des Dhünntals startete, ahnte sie nicht, dass sie dieses Thema ein Jahrzehnt intensiv begleiten wird. Ein Ende des Interesses an den Geschichten und Anekdoten rund um die Höfe und Häuser, die im Wasser der Großen Dhünntalsperre zwischen Wermelskirchen-Dabringhausen im Norden und der Region Odenthal/Kürten im Süden versunken sind, ist nach wie vor nicht absehbar. Einmal referiert Marita Jendrischewski vor vollem Saal in Dabringhausen, ebenso einmal jährlich führt sie eine Wanderung an, bei der sich die Teilnehmer auf Spurensuche ins Dhünntal begeben und die stets ausgebucht ist. Dazu kommen Einladungen zu Vorträgen, die Jendrischewski nach Wunsch auch zu speziellen Aspekten der Dhünntal-Geschichte ausarbeitet.

 Spurensuche: Marita Jendrischewski zeigt bei einer Führung alte Fotos, hier von Haaswinkel.

Spurensuche: Marita Jendrischewski zeigt bei einer Führung alte Fotos, hier von Haaswinkel.

Foto: Privat (1), Marita Jendrischewski

"Menschen und Geschichte(n) einer versunkenen Landschaft": Unter dieser Überschrift veröffentlichte Marita Jendrischewski zwei Bücher. Der erste Band erschien 2009 und ist vergriffen, die Hofschaften des nördlichen Dhünntals bildeten darin den Schwerpunkt. Die südliche Region rückt der zweite Band in den Fokus, der 2014 veröffentlicht wurde. "In einem halben Jahr waren 1900 Exemplare des ersten Buchs verkauft. Das hat mich damals vollkommen überrascht", erinnert sich Marita Jendrischewski. Das Buch habe einiges bewirkt, immer mehr Kontakte und Rechercheansätze hätten sich ergeben. Daraus entstand schließlich das zweite Buch. "Im Laufe der Zeit vergrößerte sich der Kreis der beteiligten Menschen, die sich meldeten und mit denen ich Gespräche führte, ständig. Die Leute haben sich gefreut und die Bücher mit Spannung erwartet."

Den Startschuss für ihre Arbeit gab 2007 eine Ausstellung mit historischen Fotos der versunkenen Hofschaften bei "unverdhünnt". Da wurde Marita Jendrischewki klar: "Wenn ich das nicht festhalte, dann macht es keiner".

Die Heimatforscherin wuchs selbst in der Dhünntal-Region auf. Als geborene Krämer war ihr Familienname bekannt, was ihr in den Anfängen der Nachforschungen schnell die Türen öffnete. "Ich habe die Menschen, die einst im Dhünntal lebten, besucht und bin auf eine sagenhafte Gesprächsbereitschaft gestoßen," freut sich die 65-Jährige bis heute über die ungebrochene Resonanz auf das Thema.

Bereits 1977 nahm sich Marita Jendrischewski, die Geografie studierte, in ihrer Arbeit zum Staatsexamen der Region an. Ihr Thema damals: "Raumplanung aus Gründen der Wasserversorgung - das Beispiel Dhünntal". Die seit 2016 pensionierte Lehrerin arbeitete jahrelang an Schulen in Köln, zuletzt an der Wermelskirchener Schwanenschule. "Ich habe ein Stück Heimatgeschichte niedergeschrieben - das fasziniert die Menchen, das wollen die Leute lesen", stellt sie fest. Ob das Interesse noch weitere Jahre anhalte, wisse sie nicht. Sie stelle aber sehr wohl eine leichte Wandlung des Interesses fest: "Den Menschen, die einst im Dhünntal lebten, ging es um Erinnerung. Diese Generation stirbt aber nach und nach aus." Wer sich heutzutage mit der Dhünntal-Geschichte auseinandersetze, dessen Interesse sei dadurch geweckt, dass eine einschneidende Wandlung vor der eigenen Haustür geschehen sei: "Diese Leute kennen nur das Wasser, erkennen aber, dass da mal Häuser waren".

Marita Jendrischewski trug die Geschichte der 28 ganz oder teilweise versunkenen Hofschaften akribisch zusammen. Teils bestanden diese einstigen Hofschaften nur aus einem Haus - dementsprechend ist die Historie eng mit der Geschichte einzelner Familien verbunden. Dabei fanden sich interessante Nenner, auf die manche Fäden zusammenliefen. So stammten beispielsweise alle Bürgermeister Dabringhausens nach dem Zweiten Weltkrieg und bis zur Eingliederung zu Wermelskirchen aus dem Dhünntal. "Es gibt noch Leute, die sich an den Campingplatz mit Kiosk von Bürgermeister Müllenmeister erinnern. Dort war damals der Treffpunkt der Dorfjugend", weiss Marita Jendrischewski.

Die Autorin hat gerade eine Biografie unter dem Titel "Vom Webstuhl in die Kalahari" über ihren Großonkel Carl Schmitz fertiggestellt, die Veröffentlichung ist in 2018 geplant. Der aus Käfringhausen stammende Schmitz war von 1906 bis 1957 als Missionar in Afrika tätig. Marita Jendrischewski reiste für die Recherche bereits fünfmal nach Namibia, die nächste Tour steht in zwei Wochen an.

(RP)
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