Remscheid Ohne Eltern aus der Heimat geflüchtet

Remscheid · Die Evangelische Jugendhilfe Bergisch Land betreut am Waldhof schon 16 minderjährige unbegleitete Flüchtlinge für andere Städte in ihren Wohngruppen. Im nächsten Jahr soll eine weitere mit sieben Plätzen eingerichtet werden.

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge werden bereits seit mehr als einem halben Jahr von der Evangelischen Jugendhilfe Bergisch Land (EJBL) betreut. Zum Teil im Auftrag von anderen Kommunen. Sie kommen beispielsweise aus Wuppertal oder aus Frankfurt. Insgesamt sind es 16. "Die Städte werden sich künftig verstärkt auch um diese Gruppe der Flüchtlinge kümmern müssen", sagt der Fachbereichsleiter des Aufnahme- und Clearingzentrums der Evangelischen Jugendhilfe Bergisch Land, Heiner van Mil, im Gespräch mit dieser Zeitung.

Hintergrund ist eine Änderung des bundesdeutschen Kinder- und Jugendhilfegesetzes, die seit Monatsbeginn gilt. Demnach greift der Königsteiner Schlüssel nun auch bei Kindern, die ohne rechtskräftigen Vormund in die Bundesrepublik geflüchtet sind. Bislang musste jedes Jugendamt diese Kinder in seine Obhut nehmen, wo die Jungen und Mädchen die Erstaufnahme erreichten. Die Folge: In einigen Erstaufnahme-Einrichtungen kamen sehr viele, in anderen sehr wenige an. Nach Gesundheitsprüfung und Alterseinschätzung sind diese Jugendämter dann dauerhaft für die Minderjährigen verantwortlich, konnten allerdings die Kinder schon in die Betreuung von Jugendhilfeträgern wie der EJBL und andere Kommune geben - quasi im Auftrag. "Die Anzahl der Anfragen nach Betreuungsplätzen für diese Kinder ist explodiert. Manchmal gibt es Tage mit zehn Anfragen. Zur Zeit gibt es de facto nicht genug Plätze. "Das System Jugendhilfe ist total überlastet", betont Heiner van Mil gegenüber der BM.

Um darauf zu reagieren, richtet die EJBL, die in Remscheid und Wermelskirchen arbeitet, ab dem 1. Januar 2016 am Remscheider Standort Waldhof eine Gruppe mit voraussichtlich sieben Plätzen speziell für minderjährige Flüchtlinge ein: Maßnahmen zur Gebäude-Sanierung und auch das Einstellen von weiterem Personal ist dafür bereits angelaufen. Wie viele neue Kräfte genau eingestellt werden, konnte Heiner van Mil noch nicht sagen: "Wir verhandeln gerade mit dem zuständigen Jugendamt der Stadt Remscheid die Tagessätze. Diese ausgehandelten Tagessätze für die Betreuung eines geflüchteten Kindes gelten dann auch für alle anderen Jugendämter, die unsere Dienste in Anspruch nehmen." Der 27-jährige Fachbereichsleiter aus Remscheid sagt weiter: "Wir entwickeln für diese neue Gruppe auch ein eigenständiges Konzept. Das entspricht unserem Leitbild und unserem EJBL-Qualitätsanspruch. Dieses Feld hat einen hohen Betreuungsbedarf. Es geht um Sprachbarrieren und vielfach um starke Traumatisierungen der Kinder. Dazu kommen Fragen zu Schulbesuch oder Ausländerrecht. Das ist alles sehr komplex - das Jugendamt ist in der Steuerungsverantwortung und wir erbringen im Auftrag des Jugendamtes diese Hilfe."

Die EJBL setze auf stetiges, konstantes Wachstum und sei auch gerne mal im Rahmen des Verantwortbaren kreativ. "Es geht um anständige Betreuung und darum, den Bedürfnissen gerecht zu werden und die Qualität zu wahren. Natürlich ist eine Gruppe mit sieben Plätzen nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Wir wollen unseren Beitrag leisten, und für unsere Größe ist das schon ein hoher Anteil mit einem hohen Engagement aller Mitarbeiter", unterstreicht Mil.

Zur Zeit betreut die EJBL, die mit dezentralen Wohngruppen arbeitet, 16 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge: sechs im Aufnahme- und Clearingzentrum im Waldhof; sieben im Fachbereich Jugend (ab 14 Jahre), zwei im Fachbereich Kinder (bis 14 Jahre) und einen ambulant im sozialpädagogisch betreuten Wohnen. Letztere sind die dezentralen Wohngruppen auch in Wermelskirchen. Mils erste Erfahrungen: "Die Integration bei den Kindern funktioniert oft reibungsloser als man erwarten könnte. Da gibt es viele schöne Momente."

(RP)
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