Analyse Bergische Symphoniker Mit Kuhn die Gunst der Stunde nutzen

Remscheid · Die Vertragsverlängerung mit dem Generalmusikdirektor für weitere zwei Jahre kann man als ein Signal lesen, dass die Politik gelernt hat, Kultur als eine Pflichtaufgabe zu sehen, genauso wie den Ausbau von Kitas und die Förderung von Sportanlagen.

 Peter Kuhn dirigiert auf der Alleestraße beim Bällerennen des Lions Club.

Peter Kuhn dirigiert auf der Alleestraße beim Bällerennen des Lions Club.

Foto: Hertgen, Nico (hn-)

Für Generalmusikdirektor Peter Kuhn und die Bergischen Symphoniker führt die Verlängerung des Vertrages bis Ende der Spielzeit 2018/19 zu einem ungewohnten Arbeitsklima: Die nächsten dreieinhalb Jahre haben sie den Rücken frei von hässlichem Sperrfeuer, das immer wieder gerne mal aus Remscheid auf das gemeinsame Orchester mit Solingen abgegeben wurde. Sie haben den Rücken frei, um sich ganz auf ihren Beruf zu konzentrieren und weiter daran zu arbeiten, sich im kulturellen Leben der beiden Städte fester zu verankern. Sich unverzichtbar zu machen, um somit jeden Gedanken an die Abschaffung des Orchesters im Keim zu ersticken, wenn es finanziell wieder mal eng werden könnte. Keine leichte Aufgabe, aber eine, die man schaffen kann. Die Voraussetzungen sind gut.

Peter Kuhn darf sich durch die Vertragsverlängerung in seiner Arbeit bestätigt sehen. Er hat vor, in den nächsten Spielzeit eine neue Eventreihe des Orchesters zusätzlich zu den anderen Angeboten zu etablieren. Das bestätigt er im Gespräch mit der BM. Auch eine neue Image-Kampagne soll helfen, das Ansehen und den Wert des Orchesters zu mehren. Das ist auch dringend geboten.

Peter Kuhn gehört nicht zu der Art von Orchesterleitern, die sich gleich von jedermann umarmen lassen. Ein Christoph Stepp oder eine Romely Pfund - Vorgänger in seinem Amt - hatten zu manchen Kreisen einen direkteren Draht als Kuhn. Kuhn straht eine intellektuellere Persönlichkeit aus. Er ist einer, der die musikalische Welt geistig durchdringt, ohne sie dabei zu verkopfen. Das hat Remscheid gutgetan.

Seine Vorgänger übertrifft er um Längen mit seiner sprachlichen Gewandtheit. Ohne akademisch zu sein, öffnen seine Erläuterungen während der Konzerte einem Teil des Publikums die Ohren auch für Zusammenhänge, die jenseits des Wohlklangs liegen. Einen Kompetenteren als Kuhn lässt sich auf diesem Gebiet für Remscheid kaum denken.

Es gehören viele kleine Schritte dazu, die Musik in den Herzen und Köpfen der Bürger zu verankern. Begeisterung muss immer neu geweckt werden. Das ist eine Sisyphus-Arbeit, die im Getriebe des Alltags schnell unter die Wahrnehmungsschwelle fällt. Die meisten Solisten der Philharmonischen Konzerte zum Beispiel besuchen eine Schulklasse und stellen sich den Fragen der Schüler. Die Zusammenarbeit mit der Musikschule greift besser. Die Backstage-Gespräche vor dem Konzertabend führen schon mal dazu, dass die ersten Reihen im Teo Otto Theater mit Jugendlichen gefüllt sind. Das Remscheider Modell, dass Orchester-Musiker ihre Instrumente in den Klassen vorstellen, gehört zu den Konstanten der pädagogischen Arbeit.

Pädagogische Arbeit ist wichtig, darf aber nicht überbewertet werden. Aber im Zentrum der Kultur steht die Kunst, das Konzert, der Auftritt, der Moment, in dem die Instrumente erklingen - das Erlebnis. Das kann Remscheid bieten. Seit gut sechs Jahren bestimmt Kuhn den Sound des Orchesters. Natürlich bieten Städte wie Köln, Düsseldorf und Wuppertal schöne Konzerte an. Aber keiner muss Remscheid verlassen, um ein gutes Orchester zu hören. Kuhn hat dafür gesorgt, dass die musikalische Grundversorgung weiter auf hohem Niveau geleistet wird. Er ist nicht nur ein guter Dirigent und Orchesterchef, sondern auch ein Mann von Charakter. In der größten Krise des Orchesters ist er an Bord geblieben, hat sein Schicksal mit dem Schicksal des Orchesters verknüpft. Das findet man selten im Kunstbetrieb. Für beide Seiten hat es sich nun gelohnt.

Die nächste Krise fürs Orchester kommt aber bestimmt. Die wirtschaftlichen Prognosen sind eher düster. Aber die Vertragsverlängerung von Kuhn lässt sich auch als ein Signal deuten, dass auch die Politik aus den vorigen Jahren gelernt hat. Es geht nicht mehr darum, ob sich die Stadt ein Orchester leisten kann, sondern wie es ökonomisch in sicherem Fahrwasser gehalten werden kann. Kultur gehört zu den Pflichtaufgaben der Stadt wie Kitaausbau und Sportförderung.

(RP)
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