Remscheid Meisterkonzert - kunstvoll und lässig

Remscheid · Ein fulminanter Auftritt des "Vision String Quartets" mit Klassik, Pop und Jazz.

Nach diesem Auftritt ist das alte Bild von Konzerten mit edler Streichquartett-Musik geschreddert. Meist sitzen bei solchen Veranstaltungen vier wie in Beton gegossene Musiker auf der Bühne, die in gepflegter Erhabenheit das Repertoire der Klassik intonieren, als wäre diese Musik von einer anderen Welt. Ein schmallippiges Lächeln am Schluss, und schon sind die Meister der Töne, meist exzellente Musiker, entschwunden.

Von ganz anderem Naturell zeigen sich hingegen die vier Musiker des "Vision String Quartets". Eine Art Boygroup, die musikalische Grenzen sprengt. Die Musiker tragen gut sitzende schwarze Anzüge. Sie spielen ohne Noten und im Stehen, begeistern sich für Klassik wie für Jazz und Pop: Sie wirken aufregend anders.

Es gibt eine Art von Lässigkeit, die lässt sich nicht lernen. Die entsteht einfach, wo Neugier und Leidenschaft aufeinandertreffen, sich mit einer gesunden Portion Ehrgeiz vermischen, ohne dass darüber der spielerische Zugang zur Sache verloren geht. Sie wissen genau was sie wollen, warum sie die Dinge so angehen, wie sie sie angehen - doch sie verfolgen dieses Ziel nicht verbissen. Darin liegt wohl der Schlüssel zu ihrem Erfolg. Zwischendurch tragen sie auch mal ein Nonsensgedicht vor, das im Nichts endet. Oder sie spielen durch heiter-ironische Ansagen mit dem Bildungsballast des Bildungsbürgertums. Wie verträgt sich Heavy-Metal-Musik mit Mozarts Streichquartett? Bestens. Wie Kompositionen von Schubert mit dem Beatles-Song "Come together"? Bestens. Daran lässt das Konzert im Teo Otto Theater keinen Zweifel. Es macht Spaß, diesen vier Bahnreisenden aus Berlin zuzuhören. Sie spielen die Musik, die sie lieben. Und schreiben eigene Stücke. Mit langweiligen Cross-over-Gedöns hat das nichts zu tun. Sie greifen kraftvoll ins musikalische Herz der Stücke. Namen von Komponisten spielen dabei keine Rolle.

Das Meisterkonzert fand dieses Mal auf zwei Bühnen statt. Für den Vortrag der klassischen Musik wählte man das obere Foyer. Mit Rock, Pop und Jazz ging es auf der großen Bühne weiter. Boxen gaben dem Streicherklang einen rauen Anstrich. Wechselnde Beleuchtung führte zu Popkonzertatmosphäre. Nebelschwaden im Hintergrund durften daher nicht fehlen. Bei Mozarts "Dissonanzenquartett" leuchten die Musiker meisterlich die kleinen Dialogstellen zwischen den vier Streichinstrumenten aus. Ihr Spiel klingt frisch und sensibel für die großen Feinheiten bei den rhythmischen Übergängen. Eine Geige kann wie ein Schlagzeug klingen, ein Cello den brummigen Part eines Contra-Basses übernehmen, und die Viola wie eine Sambagitarre gezupft werden. Das Spektrum der Streichinstrumente an Klangmöglichkeiten haben die vier Musiker herrlich erweitert. Sie musizierten mit so viel Einsatz und Leidenschaft, dass die Rosshaare der Geigenbögen am Schluss ausgefranst herunterhingen. Viel Applaus.

(RP)
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