Ansichtssache Warum jeder Jeck tatsächlich anders ist

Meinung · Die Vorfreude auf den Straßenkarneval auch hier bei uns ist riesig. Aber: Nicht bei allen. Für die gilt: Immer schön tolerant bleiben.

 Der Rosenmontagszug in Lennep 2020.

Der Rosenmontagszug in Lennep 2020.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Ich gebe zu, ich bin wirklich kein Karnevalsjeck. Vielleicht liegt es daran, dass ich in Bochum-Wattenscheid aufgewachsen bin. Vom dort ansässigen Karnevalsclub Gänsereiter-Club Höntrop von 1598 e. V. wurde jedes Jahr das „Gänseköppen“ veranstaltet. Ein Brauchtum, bei dem eine zuvor getötete Gans kopfüber an einer Leine aufgehängt wird und Reiter im Galopp versuchen, ihr den Kopf abzureißen. Wer das schafft, ist bejubelter Gänsereiterkönig und, als ob das nicht genug des Grauens ist, wurde (zumindest zu meiner Kindheit) die Gans hinterher noch gemeinsam verzehrt. Kurz gesagt: Vermutlich bin ich karnevalstraumatisiert.

Nichtsdestotrotz bin ich tolerant genug, um mich mit all den Narren und Närrinnen zu freuen, die den Straßenkarneval in diesem Jahr ganz besonders herbeisehnen, in Remscheid vor allem den traditionellen Lenneper Umzug am Rosenmontag. Organisiert wird die Veranstaltung wie immer von der Lenneper Karnevalsgesellschaft (LKG), die bereits lange vorher in den Vorbereitungen steckt und diese Aufgaben mit ganz viel Herzblut bewältigt. Ich finde es grundsätzlich schön, wenn Menschen sich für eine Sache begeistern können und in diesem Fall profitieren sogar Tausende andere davon. Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Senioren, Familien und Paare, Singles und Cliquen versammeln sich gemeinsam, um das Leben zu feiern.

Natürlich gehört es auch dazu, dass der ein oder andere dabei über seine ganz persönliche Stränge schlägt, wenn man sich aber die ursächliche Bedeutung des Karnevals anschaut, ist das tatsächlich ja eigentlich genauso gewollt. Denn vor der unmittelbar bevorstehenden 40-tägigen Fastenzeit sollte an Karneval noch mal so richtig die Sau rausgelassen werden. Karneval stammt vom Lateinischen „carne vale“ ab, was so viel bedeutet wie „Fleisch, lebe wohl“. Daher sollte vorher der Fleischeslust (wie auch immer man diesen Begriff für sich selbst definiert) noch einmal so richtig gefrönt werden, bevor dann die Askese ruft. So war es zumindest im Ursprung. Heute wird gefeiert um des Feierns willen.

Während für viele die närrischen Tage im Februar das Jahreshighlight bedeuten, mögen andere dieses „Auf Knopf-Druck-Fröhlich sein“ so gar nicht und flüchten panisch zu einem Kurztrip an die holländische Nordseeküste oder ins Berchtesgadener Land. Allemal besser, als herumzustänkern über den albernen Nachbarn im Braunbärkostüm. Jeder Jeck, das wissen wir doch, ist schließlich anders.

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