Interview Markus Wolff Hitzesommer hat dramatische Folgen

Remscheid · Forstamtsleiter Markus Wolff spricht über Zustand und Zukunft des Waldes – und über die Försterseele.

 Markus Wolff ist Leiter des Remscheider Forstamtes.

Markus Wolff ist Leiter des Remscheider Forstamtes.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Herr Wolff, der heiße und trockene Sommer ist für viele von uns nur noch eine vage Erinnerung. Wie geht es dem Wald nach dieser Hitzewelle?

Wolff Das ist eine schwierige Frage. Wir wissen, dass der Wald den Dürresommer 2018 nicht gut verpackt hat. Nadelholz, vor allem die Fichte, ist bundesweit schwer geschädigt worden. Wir erleben die größte Borkenkäferplage, die NRW je gesehen hat. Es steht zu befürchten, dass auch Laubholz betroffen ist.

Wann weiß man das genauer?

Wolff Weil es ein fortschreitender Prozess ist, wissen wird das auch im Frühjahr noch nicht. Es wird sich über das ganze Jahr hinziehen. Aus Erfahrungen mit Sturmereignissen wissen wir, dass auch fünf oder sechs Jahre später noch Folgeprobleme dieser Ereignisse auftreten können.

Jetzt hat es zuletzt viel geregnet und auch geschneit. Es war kalt. War das gut für den geschädigten Wald oder schlecht?

Wolff Das war schon mal super. Das war die Grundvoraussetzung, um überhaupt über eine Halbwegs-Regeneration des Waldes sprechen zu können. Bis in den November hinein waren die Bodenschichten sowohl im oberen Boden als auch im tieferen Bereich der Wurzeln rappeltrocken. Normalerweise können sich Fichten mit ihrer Harzbildung gut gegen den Borkenkäfer wehren. Wenn kein Wasser da ist, hat der Baum diese Fähigkeit komplett verloren. Und das war symptomatisch für das ganze Jahr 2018. Deshalb gilt: Jeder Tropfen Wasser ist gut für die Nadel- und für die Laubbäume. Es kann aus Sicht des Waldes und der Stadtbäume in den nächsten Monaten gerne so nass und schmuddelig bleiben.

Sie haben den Borkenkäfer angesprochen. Wie hoch ist der Anteil der betroffenen Fichten im Remscheider Wald?

Wolff Das ist schwer zu beziffern. Eine genaue Schadenserhebung ist nicht durchführbar. Die Käfer mit ihren Larven überwintern in den Bäumen unter der Rinde oder im Boden. Selbst grüne Bäume, denen man einen Befall nicht ansieht, können nächste Woche Symptome zeigen. Wir wissen allerdings durch Probeuntersuchungen des Landesbetriebes, dass die Population extrem hoch ist. Solche Zahlen hat es noch nie gegeben.

Was ist in dieser Situation geboten? Alle befallenen Bäume fällen?

Wolff Genau, um eine Ausbreitung zu verhindern, ist es angeraten, diese Bäume aus dem Wald zu bringen. Das ist jetzt allerdings schwierig, weil der Holzmarkt zwar nicht zum Erliegen gekommen ist, aber Unwuchten aufzeigt. Das Holz fließt nicht mehr so schnell ab. Deshalb denkt man gerade über Alternativen nach, etwa indem man Holz und Kronenanteile für die thermische Nutzung verbrennt.

Stehen lassen ist keine Option?

Wolff Auf dem Land kann man das machen. In Remscheid ist das keine Lösung, weil wir Waldgebiete haben, die an Wege, an Straßen, an Bebauung angrenzen. Irgendwann brechen diese trockenen Fichten zusammen, wenn man nichts tut.

Gehen Sie und ihre Kollegen also jetzt Dauerstreife im Wald?

Wolff Die Empfehlung ist, jeden Fichtenbestand einmal pro Woche abzulaufen. Das ist faktisch unmöglich, schon wegen fehlender Personalkapazitäten. Man muss also priorisieren. Wir wissen, dass Bäume an Südhängen, die stärker der Sonne ausgesetzt waren, in der Regel stärker befallen sind. Wir Förster kennen unsere Reviere. Unsere Aufgabe ist es jetzt, das systematisch abzuarbeiten. Dazu brauchen wir auch das Einverständnis der privaten Waldbesitzer. Das ist nicht immer so einfach. Es hat im Herbst auch schon erste Fälle gegeben, in denen Waldbesitzer nicht bereit waren, die Kosten für die Fällungen zu tragen. Diese Fälle werden sich häufen. Wir brauchen jetzt schnell Rechtssicherheit und der Bürger muss sehen: Da passiert etwas.

Die TBR legen viel Wert auf den ökologischen Wert des Waldes, auf seine Erholungsfunktion. Was bedeutet der Hitzesommer 2018 unter diesem Aspekt?

Wolff Kurzum: Das ist dramatisch. Nehmen Sie als Beispiel die Lenneper Panzertalsperre, an der wir schöne Waldbilder haben, die hauptsächlich aus alten Fichten bestehen. Dieser Ort könnte sein Erscheinungsbild komplett verlieren. Das wäre der für alle sichtbare Effekt, ein Verlust an Erholungsqualität. Schwerwiegender sind der zumindest zeitweilige Verlust des Lebensraums für Vögel, die Auswirkungen auf Erosion oder Feinstaubfilterung.

Was macht das denn mit einem Förster?

Wolff Das ist ziemlich dramatisch auch für die Försterseele. Wenn die Arbeit vieler Jahre durch ein solches Ereignis zerstört wird, dann haben viele Förster, auch ich, damit zu kämpfen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort