Remscheid Kneipen kämpfen ums Überleben

Remscheid · Not macht erfinderisch. Zu riesigen Aschenbechern umfunktionierte Blumenkübel, Sitzecken mit Klappstühlen und Schilder mit provokanten Parolen in Richtung der Rot-Grünen Landesregierung – so kommentieren viele Remscheider Kneipen das Gesetz zum Nichtraucherschutz, das am ersten Mai in Kraft getreten ist.

 Früher war die Saxo-Bar an der Alten Bismarckstraße der Inbegriff einer Rauscherkneipe. Heute müssen die Stammkunden vor die Türe gehen.

Früher war die Saxo-Bar an der Alten Bismarckstraße der Inbegriff einer Rauscherkneipe. Heute müssen die Stammkunden vor die Türe gehen.

Foto: Nico Hertgen

Not macht erfinderisch. Zu riesigen Aschenbechern umfunktionierte Blumenkübel, Sitzecken mit Klappstühlen und Schilder mit provokanten Parolen in Richtung der Rot-Grünen Landesregierung — so kommentieren viele Remscheider Kneipen das Gesetz zum Nichtraucherschutz, das am ersten Mai in Kraft getreten ist.

Die Zahlen sind alarmierend und zeigen, dass "Kneipensterben" nicht nur ein drastischer Begriff ist, den die Gastronomie geprägt hat, sondern ein Phänomen, das gerade erst begonnen hat. "Je nach Betrieb sind durch das neue Gesetz die Umsätze um zehn bis 50 Prozent zurückgegangen", sagt Christian Jäger, der unter anderem für Remscheid zuständige Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga). Gerade Kneipen zählen zu Kleingewerben, die in aller Regel schon Umsatzeinbußen von fünf Prozent nicht verkraften können.

"Die Wirte müssen an allen kaufmännischen und betriebswirtschaftlichen Schrauben drehen, um überleben zu können", urteilt Jäger. So komme es etwas zur Entlassung von Personal oder auch steigenden Getränkepreisen. Eine Alternative, bei der Dehoga die Wirte auch gerne berät, stelle aber auch ein überarbeitetes Konzept samt Marketing dar. "Die Wirte müssen sich um die Nichtraucher bemühen, die sie vorher so lange vernachlässigt haben", meint Jäger.

Die Saxo-Bar setzt die Anregungen von Dehoga bereits seit Mai um. Jeden ersten Mittwoch im Monat setzt Betreiber Mike Müller auf kostenlose Live-Musik und wirbt sogar damit, dass die Konzerte rauchfrei sind. Nur wenige Gehminuten entfernt vertraut die Chefin der Fußball-Kneipe Marktplatz, Svenja Hackländer, auf ihre Stammgäste, die zur Not eben auch vor die Tür gehen. Ob es finanzielle Einbußen gibt, kann die Gastronomin erst in den Wintermonaten abschätzen. Ihr Urteil ist jedoch deutlich: "Es wird den Wirten immer schwerer gemacht!"

Noch deutlicher drückte es Wolfgang Zeimens, Betreiber der Musical Box, aus und sprach sogar davon, dass die Wirte "per Gesetz arbeitslos" werden. Etwas entspannter können es gastronomische Betriebe wie die "B3 Lounge" in Lennep sehen, bei denen die Raucher auf eine überdachte Terrasse ausweichen können.

Dennoch sieht Jäger eine düstere Zukunft für die Gastronomie, die sich zudem mit einer Preiserhöhung des Bezahl-Senders Sky arrangieren muss. Auch im Getränkesektor werden die Kosten steigen, da die Brauereien eine Preiserhöhung angekündigt haben.

Die Hoffnung der Gastronomie ruht auf einem Volksbegehren, das die Landesregierung dazu brächte, das Gesetz zu prüfen. Als Voraussetzung müssen acht Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung aus NRW die Petition unterzeichnen — und das schriftlich, ganz ohne Internet. Ob so der Mindestwert von 1060000 Unterschriften zusammenkommt, ist fraglich. Um im Anschluss daran über einen Volksbescheid das Gesetz kippen zu können, sind sogar zwei Millionen Unterschriften nötig. Das ist alles Zukunftsmusik. Bis 2015 hat das Gesetz ohnehin Bestand. "Dann dürfte es für viele Kneipen zu spät sein", urteilt Jäger.

(hathi)
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