Klassik und Hip-Hop bei „On Fire“ im Teo Otto Theater Ein Abend voller guter Musik

Remscheid · Beim On-Fire-Konzert der Bergischen Symphoniker trafen sich diesmal Klassik und Hip Hop mit dem Rapper Curse.

 Miki Kekenj (vorne) gab ein mutiges Versprechen – und hielt gemeinsam mit den Bergischen Symphonikern und dem Rapper Curse Wort.

Miki Kekenj (vorne) gab ein mutiges Versprechen – und hielt gemeinsam mit den Bergischen Symphonikern und dem Rapper Curse Wort.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

EU-Musik. Ein Wort, das dem Konzertmeister der Bergischen Symphoniker, Miki Kekenj, spontan bei der Moderation des On-Fire-Konzerts einfiel. EU- Musik hebt alle Grenzen auf zwischen sogenannter ernster Musik (E) und sogenannter Unterhaltungsmusik (U), zwischen Pop und Klassik. „Alle Musik will die Menschen erreichen“, sagt Kekenj. Der Konzertmeister verkörpert beispielhaft den Fall der Mauer zwischen den Genres. Es spielt die Violine genauso gerne wie er rappt. In beiden Welten fühlt er sich zu Hause. Er verspricht dem Publikum im ausverkauften Teo Otto Theater, 600 neue Hip-Hop-Fans in die Nacht zu entlassen. Ein mutiges Versprechen.

Atmosphärisch sorgt die „Moldau“ von Bedrich Smetana für eine wohlige Einstimmung. Die Moldau erinnert an Schulunterricht, an einen Erstkontakt mit der Welt der Klassik. Auch Anhänger des Pop können sich dem fluoreszierenden Klang nicht entziehen. Es gibt dort Stellen, an denen man gerne die Lautsprecher aufdreht und leise mitsummt. Damit kein typisches Klassikkonzert-Feeling bei dieser Reisebeschreibung entlang der Moldau aufkommt, tauchen Scheinwerfer Bühne und Zuschauerraum in wechselnde Farben.

Um eine Reise geht es auch bei der Aufführung des zweiten Werkes des Konzertmeisters. Zwei Klangkosmen bindet Kekenj zusammen, Hip Hop und Klassik. Seine Komposition beeindruckt. Eine Montage aus Stimmungen und Zitaten aus der klassischen Welt der Spätromantik, ein bisschen verträumter Max Bruch, ein bisschen Dynamik wie bei Schostakowitsch. Viele Assoziationsräume öffnen sich. Die spannenden Momente beginnen in den Augenblicken, wenn Kekenj zwei Ausdrucksmöglichkeiten mixt. Das Rappen und das Violinspiel. Er singt von einer Utopie, ohne dass er ein Utopist sein will. Paradies ist langweilig. Er will eine Welt, die ihm ein Bein stellt. Diese Reflexionen über die Welt als eine gebrechliche Einrichtung folgt man gerne, auch wenn seine Stimme nicht immer das Volumen hat, um mit Macht zusammen mit dem Orchester nach vorne zu dringen. Kekenj singt Botschaften, ohne aufdringlich sein zu wollen. Und von Erfahrungen einer verzehrenden Liebe, die ins Unglück führt: „Trag die Liebe zu Grabe, bevor sie dich zu Grabe trägt“, heißt es im forcierenden Rap-Modus. Wo solche Worte enden, beginnt das Violinspiel. Der Geigenbogen kratzt, schleift und zittert auf den Saiten. Das Orchester intoniert ein Angstklopfen. Starke Momente, die zeigen, welch ein außergewöhnliches Orchester die Symphoniker sind, dank solcher Musiker wie Kekenj.

Ernste Texte, lockerer Auftritt. Weiße Turnschuhe als Markenzeichen. Musiker und Publikum duzen sich. Und wer im Glauben kam, ruhig in seinem roten Theatersessel einen entspannten Abend zu verbringen, der wird beim Auftritt des Hip-Hoppers Curse aus seiner Komfort-Zone gerüttelt. Hip Hop bedeutet auch immer Interaktion, Kommunikation. Zwischen Bühne und Publikum gibt es keine vierte Wand.

Curse gehört in der deutschen Hip-Hop-Szene zu den Großen. Ein Star, der bei allem Erfolg bemerkt hat, dass er sich eine Ecke des Unglücks manövrierte. Er, der dem Außenseitertum in der Gesellschaft seine Stimme gibt, hat sich mit Meditation und Coaching beschäftigt. Seit einem Jahr ist er wieder auf die Bühne zurückgekehrt. Curse – eine Erscheinung. Groß, Glatze, Vollbart und eine Stimme voller dunkler Sanftheit. Curse strahlt aus, was große Künstler ausstrahlen: Präsenz.

„Freiheit ist das einzige, was zählt“ – eine Verszeile aus dem Hit von Marius Müller-Westernhagen. Chorprobe mit Publikum. Alle müssen mitsingen. Ein kleines Wettsingen zwischen rechter und linker Seite im Zuschauerraum wird inszeniert. Das Ergebnis, ganz okay. Für Curse hätte es wahrscheinlich noch etwas lauter sein können. Aber – jeder Zuschauer hat die Freiheit, auch zu enttäuschen, wie es im Lied heißt. Freiheit atmet man aus.

Curse singt auf einem langen Atem. Sein Sprechen ist schon Melodie. Hinter allem steht der Geist des Widerspruchs, eine Anklage gegen das Gewicht der Gegenwart. Ein Aufbäumen gegen alles Erstarren, ein Verzweifeln an Ungerechtigkeiten. Das Spiel mit Worten und Formulierungen könnte schnell ins Seichte und Sentimentale abrutschen. Aber aus dem Munde von Curse bekommen Texte über Liebe und Freiheit eine unaufdringliche Dringlichkeit. Sein Song „Und was ist jetzt“ klingt wie die Bekenntnisse eines Liebhabers, der mit den Schmerzen eines Verlassenen kämpft. Es ist ein schwerer Kampf. Wie ein Ringer tapert Curse über die Bühne. Kantige Handbewegungen markieren den Pegelstand der Emotionen und strukturieren die Wiederholungsschleifen.

Ende. Schluss. Die Menschen springen auf. Curse hat Remscheid erreicht. Was will man mehr? Es gibt nur gute oder schlechte Musik. Ob Moldau, Opus zwei oder Songs von Curse. Es war ein Abend voller guter Musik. Kekenj hatte nicht zu viel versprochen.

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