Remscheid Klarinettentöne wie auf schwarzem Samt gebettet

Remscheid · Daniel Ottensamer, Soloklarinettist der Wiener Philharmoniker, begeistert mit dem Klarinettenkonzert von Mozart.

Der Ton kommt von jenseits der Stille. Er taumelt schüchtern über den Bühnenboden im Teo Otto Theater. Seine Präsenz ist so kräftig, dass er deutlich bis auf den oberen Balkon im Theater zu hören ist. Ansonsten Stille. Nur der eigene Herzschlag ist als Hintergrundrauschen wahrnehmbar. Der erste Ton, der aus der Klarinette von Daniel Ottensamer strömt, verfügt bei aller majestätischen Abwesenheit über eine hohe Energie und Anziehungskraft. So lockt der auf einem Atemzug geblasene Ton eine Handvoll heller Töne an, die wie Luftblasen zur Decke perlen. Ottensamer balanciert mit seinen Klängen wie ein Jongleur mit zehn Bällen in der Luft. Keine Gefahr, dass einer zu Boden stürzt. Für Ottensamer wäre es wohl ein Leichtes gewesen, noch mehr Töne ins Spiel zu bringen. Stattdessen sammelt er alle Triller und Sprünge am Ende wieder ein, bis der Ton jenseits der Stille verschwunden ist. Es kostet Überwindung, in diese Ruhe hineinzuklatschen. Die Zugabe des Soloklarinettisten der Wiener Philharmoniker beim Philharmonischen Konzert der Bergischen Symphoniker unterstreicht, welch Zauber dieser Ausnahmemusiker mit seinem Instrument entfachen kann. Es gibt Bravo-Rufe, stehenden Applaus, huldvolle Anerkennung im fast ausverkauften Haus. Nicht nur für die Zugabe, vor allem für seine Interpretation von Mozarts Konzert für Klarinette.

Hellgrauer Smokinganzug, schwarzes T-Shirt unter dem Jackett und blitzende Lackschuhe. Ottensamer ist eine stattliche, sportliche Erscheinung. Da er 53 Takte warten muss, bis sein erster Einsatz kommt, steht er nicht andächtig still neben Generalmusikdirektor Peter Kuhn, sondern schaut sich um in den Reihen der Orchestermusiker, geht ein paar Schritte hin und her, nickt und nimmt Witterung auf für die Atmosphäre dieses fein gestrickten Klangnetzes. Hell und klar zieht sich der erste Ton über die hüpfenden Streicherpassagen hinweg wie ein strahlender Sonnenaufgang. Die Töne wechseln die Farben, von Tiefschwarz zu Hellgelb. Mal wild, mal zart. Und wenn sein Spiel irgendwo einen Ausgang am Horizont finden will, dann steht Ottensamer auf den Spitzen seiner Lackschuhe. Mozarts Klarinetten-Werk ist das Urmeter für Klarinettisten. Und sein zweiter Satz ist auch jenen Zuhörer bekannt, die mit der Welt der klassischen Musik nicht so vertraut sind. Er bestimmt den Sound in dem mit einem Oscar prämierten Film "Jenseits von Afrika".

Die Töne aus einem Traumland bettet Ottensamer auf schwarzen Samt. Er zieht lange Bögen voller Melancholie, die sich wie durch einen Flügelschlag in einen quirligen Tanz verwandeln. Ein wunderbarer Flow entsteht, bei dem man sich wünscht, er würde nie enden. Ottensamer gastierte 2015 schon einmal in Remscheid. Er darf gerne ein drittes Mal wiederkommen.

(RP)
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