Jesus Christ Superstar in Wuppertal Die göttlichen Leiden eines Popstars

Wuppertal · Die Wuppertaler Bühnen zeigen das Musical „Jesus Christ Superstar“ in einer beeindruckenden Inszenierung.

 Das Verhör des Jesus Christus, und Pontius Pilatus (l.) befragt ihn. Szene aus der Aufführung „Jesus Christ Superstar“ im Wuppertaler Opernhaus.

Das Verhör des Jesus Christus, und Pontius Pilatus (l.) befragt ihn. Szene aus der Aufführung „Jesus Christ Superstar“ im Wuppertaler Opernhaus.

Foto: Bettina Stoess

In einem Zirkuszelt hängt ein Mann am Kreuz. Blaue und rote Glühbirnen illuminieren es. Schummrige Orgelklänge wabern über die Szene. Das Sterben ist qualvoll. Im Wuppertaler Opernhaus werden die letzten Stunden im Leben von Jesus Christus gezeigt. So wie sie von der Bibel überliefert sind. Doch stirbt dort wirklich der Heiland? Es stirbt auch ein Popstar, der wie ein Heiland verehrt wurde. Und es singen nicht himmlische Heerscharen, sondern die Rockgitarren schlagen wie Blitze aus dem Himmelszelt ein.

Schon zu Beginn der Inszenierung des Musicals „Jesus Christ Superstar“ blickt der Zuschauer backstage. Der Leadsänger Jesus wirkt ziemlich erschöpft, er trinkt Fusel aus der Flasche und schwankt von Sofa zur Wand und von der Wand zum Sofa. Die Laune seiner Jünger ist melancholisch-überhitzt. Nur Judas besitzt ein Sensorium für den Preis des Erfolgs. Entgegen einer engen, tradierten Lesart, die Judas als einen dreckigen Verräter sieht, der wegen ein bisschen Handgeld den „falschen König“ verrät, ist Judas beim Komponisten Andrew Loyd Webber und seinem Texter Tim Rice eine Figur auf Augenhöhe, der ebenso unter seinem geschichtlichen Auftrag leidet und zweifelt wie der Gottessohn.

Die Wuppertaler Oper übernahm die Aufführung von Erik Petersen vom Staatstheater Oldenburg. Ein guter Griff. Die Hauptrollen singen die Mitglieder aus dem Oldenburger Ensemble. Der Wuppertaler Chor und das Sinfonie-Orchester studierten die Partitur ein. Die versteckten Helden des Abends sitzen wie in einem altehrwürdigen Zirkus oberhalb des Eingangs zur Manege. Dort spielt die Jesus-Band. Wenn die Finger des Sologitarristen akrobatisch auf dem Griffbrett ganz hoch oben turnen, und Schlagzeug und Bass einen knochentrockenen Sound beimischen, weht der Zeitgeist der 70er Jahre herein, in denen die noch junge Rockmusik ein Versprechen auf eine bessere Zeit anstimmte. Im Wechselspiel mit dem Orchester entwickelt sich ein breites Klangspektrum, das die Nöte und Ängste eines Superstars, ob einer Band oder aus der Bibel, differenziert ausleuchtet.

Jesus zweifelt an seinem Auftrag. An seinem Vater. Er bittet ihn, den Kelch an ihm vorübergehen zu lassen. Die Szene im Garten Gethsemane singt Oedo Kuipers zum Niederknien. Er jagt zu den Gipfeln höchster Wut und Verzweiflung und taucht ab in die Täler voller Schmerz und Einsamkeit. Seine helle, klare Stimme kommt hingegen niemals ins Wanken. Das gilt auch für Ruppert Markthaler, der den Judas gibt. Ein lockerer Typ, der seine Untergangsahnungen in scharfkantigen Songs herausschleudert. Die Rolle des Pontius Pilatus kostet Simon Stricker in all seiner Ambivalenz aus. Sein feiner Bass lodert zwischen Verachtung und Erstaunen. Die einzige tragende Frauenrolle in diesem Musical ist der Maria Magdalena zugedacht. Maureen Mac Gillavry hat es schwer, sich gegen die kraftvollen Männer zu behaupten. Ihr Lied der Selbstbefragung, was so seltsam an dieser Liebe zu diesem Mann sei, gelingt ihr sehr berührend.

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