Remscheid Ist das Kitsch oder Kunst?

Remscheid · Vor dem Werkzeugmuseum standen die Menschen Schlange, um eine fachkundige Einschätzung zu ihren Antiquitäten zu bekommen. "Wir wollen die Augen für die Schönheit öffnen", sagt Direktor Urs Diederichs.

 Dr. Urs Diederichs (l.) und Hans Krielke schauen gemeinsam auf ein Bild, das Elke Kothe mitgebracht hat. Die Fachleute versuchen, eine gute Einschätzung zu geben.

Dr. Urs Diederichs (l.) und Hans Krielke schauen gemeinsam auf ein Bild, das Elke Kothe mitgebracht hat. Die Fachleute versuchen, eine gute Einschätzung zu geben.

Foto: Jürgen Moll

Etwas schüchtern betritt Gerda Luck (75) den Raum des Werkzeugmuseums, in dem die jährliche Antiquitätenberatung stattfindet. "Ich hab im Keller etwas gefunden", sagt die ältere Dame, legt zwei Bilder auf den Tisch und beginnt hastig, ein drittes Teil auszupacken. "Lassen sie sich ruhig Zeit, damit nicht noch etwas beschädigt wird", raten Urs Diederichs, Stadtarchivar und Leiter des Historischen Zentrums und Restaurator Hans Krielke freundlich.

Trotz der vielen Menschen, die im Vorraum des Museums geduldig auf ihren Termin warteten, nahmen sich die beiden Fachleute für die Bestimmung jeder Antiquität ausreichend Zeit. Ihre erste Frage an die Besitzer lautete immer: "Was wissen sie über das Stück und was möchten sie wissen?" Gerda Luck zeigt etwas unsicher ihre Porzellanfigur — ein Hochzeitsgeschenk von der Großmutter ihres verstorbenen Mannes.

Hilfe bei der Bestimmung

Der Wert dieser Figur interessiert sie, auch wenn sie diese niemals verkaufen würde, "es hängen zu viele Erinnerungen daran". Mit Kennerblick ordnet Hans Krielke die Antiquität in die Zeit um das 19. Jahrhundert ein. "Eine galante Szene des Rokokos, handgemalt, jedoch kein Meißner Porzellan, aber ein Stück, an dem man sich erfreuen kann", lautet seine Bewertung. Wie alle Gegenstände wird auch dieses gedreht, gewendet und gründlich nach aufschlussreichen Signaturen oder einer "Marke" untersucht. Hilfestellung bei der Bestimmung von Künstlern oder Manufakturen leisten Bücher und das Internet. "Durch das Internet kann man viele Dinge schneller herausfinden, aber es ersetzt niemals das Auge und die Erfahrung des Experten", gibt Urs Diederichs zu bedenken. Er rief vor einem viertel Jahrhundert diese Veranstaltung während des jährlich stattfindenden Sommerprogramms ins Leben.

Eine ungewöhnlich hohe Masse an Anmeldungen verzeichnete die Antiquitätenberatung in diesem Jahr. Die festen Termine waren innerhalb weniger Tage vergeben. Trotzdem bekam auch nach 18 Uhr jeder die Gelegenheit, seine Schätze begutachten zu lassen. Gegen eine Gebühr von sechs Euro erhielten die Besucher eine Nummer und nahmen im Wartebereich des Museums Platz. Geduld musste man mitbringen. "Wir arbeiten heute sicher bis 22 Uhr, niemand wird ohne Beratung wieder nach Hause geschickt", versprachen die beiden Experten.

Ohne Pause begutachten sie Gemälde, Porzellan, Bibeln, Möbelstücke, Schmuck und vieles andere. In allen Bereichen sind sie geschult. Die schnelle Einschätzung aufgrund ihrer jahrelangen Erfahrung überrascht die meisten Besucher, die sich nicht nur für den Wert ihrer Schätze, sondern für Geschichte und Herkunft interessieren. "Ziel der Veranstaltung ist es, das Auge zu öffnen für die Schönheit der Antiquität, die man besitzt", sagt Urs Diederichs.

(ankö)
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