Klosterkirche Bittere Wahrheiten mit Humor

Remscheid · Der Kabarettist Ingo Börchers pfefferte seine Betrachtungen des alltäglichen Irrsinns ins Publikum in der Klosterkirche.

 Ingo Börchers bot Hochgeschwindigkeits-Kabarett in der Lenneper Klosterkirche.

Ingo Börchers bot Hochgeschwindigkeits-Kabarett in der Lenneper Klosterkirche.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

„Wir sind Papst!“ – „Du bist Deutschland!“ - „Ich bin zwei Öltanker!“ Ingo Börchers betrat am Donnerstagabend mit durchaus philosophischem Zungenschlag die Bühne der Klosterkirche und präsentierte den rund 150 Zuschauern gutgelaunt sein neues Programm „Immer ich!“, indem er die Frage stellte: „Was ist eigentlich ich?“

Er antwortete sich selbst mit dem ersten von vielen weiteren furiosen und schnellgesprochenen Monologen, der von Jesus über Gloria Gaynor mit einem Abstecher bei Descartes und Oliver Sacks bis hin zu Daniela Katzenberger führte. „Für die meisten von uns ist das Ich allerdings nur dazu da, um es ins Netz zu setzen“, brachte er die Misere der heutigen Zeit anschließend trocken auf den Punkt.

Und da beim allgegenwärtigen On-L(e)ine(n)-Zwang nicht nur jede Menge Text abgesondert werde, sondern auch Bilder immer wichtiger würden, schmeckte eine Aussage wie diese dem einen oder auch anderen im Publikum vielleicht eher bitter: „Auch wenn wir uns selbst für einzigartig halten - Selfies sind auch nur Bilder von der Stange.“

Börchers, dem die Unterscheidung zwischen „ich bin“ und „ich heiße“ wichtig war, kommentierte den Irrsinn einer immer schnelleren Zeit mit vielen Anspielungen auf Philosophen genauso wie auf Trash-TV, wenn er etwa angelehnt an Andy Warhol sagte: „15 Minuten Ruhm war gestern – denn heute gibt es ja schon mehr Menschen, die schon im Fernsehen waren, als Menschen, die überhaupt noch Fernsehen gucken.“ Neben allen modernen Anwandlungen boten Börchers‘ pfeilschnelle Satzkaskaden oft auch Ausflüge in die 80er Jahre. „Ich hatte kein Handy und keine Emojis. Wenn ich ein Mädchen becircen wollte, musste ich das auf Diddl-Briefpapier machen.“ Oder wenn er sich daran erinnerte, den Kopierschutz einer Kassette mit Tesafilm ausgetrickst zu haben. Womit er bei den Frauen im Publikum wiederum punkten konnte, war die Aussage: „Ich halte ‚La Boum‘ immer noch für einen wirklich gutgemachten Film.“

Erzählen würde er das alles, damit sich sein Publikum ein besseres Bild machen könne. Und das war insgesamt sehr unterhaltsam. Auch wenn er dann irgendwann zum Ergebnis kam: „Auf die Frage nach wer oder was ich bin gibt es keine Antwort - sondern nur Querverweise.“ Ein wenig zu merken war das schon, dass Börchers mit den modernen Zeiten im Clinch lag: „Stabile Verhältnisse gab es noch bei meinen Großeltern: ‚Bis dass der Tod euch scheidet‘ – das galt da nicht nur für die Ehe. Sondern auch für das Geldinstitut und den Hausarzt.“ Und an die Stelle von Verbindlichkeit sei hingegen das Smartphone getreten: „Wann ich mich mit meinem alten Schulfreund Jonas treffe, hängt heutzutage von so vielen Faktoren ab, dass aus dem Kaffee am Dienstag in Bielefeld schließlich ein Glas Rotwein in Osnabrück wird. Auch am Dienstag - nur eben ein Jahr später.“
Das war bitter, bisweilen. Aber wenn solche bitteren Wahrheiten so humorvoll dargeboten werden, wie das Börchers zuwege brachte, mit soviel intellektueller Schärfe und satirischer Bissigkeit gewürzt, konnte man doch befreit auflachen, bis der nächste Satz mit hintersinniger Verve rausgepfeffert wurde und man doch wieder neu entscheiden musste, wie man das im persönlichen Humorkosmos einsortieren musste. Nein, Börchers war nicht der lautstarke Mahner, der rumpelnde Grantler oder der zynische Haudrauf. Er war der kluge Beobachter, der Themen wie Gender-Debatte, Kinder-Diskussion oder Kulturpessimismus humorvoll und mit sympathischer Hochgeschwindigkeit behandelte.

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