Remscheid Im Land der blühenden Neurosen

Remscheid · Das Wuppertaler Schauspielhaus zeigt Williams "Glasmenagerie". Eine Enttäuschung.

 Julia Wolff (l.) und Lena Vogt (r.) in "Die Glasemenagerie" in Wuppertal.

Julia Wolff (l.) und Lena Vogt (r.) in "Die Glasemenagerie" in Wuppertal.

Foto: Wuppertaler Bühnen

WUPPERTAL Ein blauer Container dreht sich auf der Bühne des Theaters im Engelsgarten. Wenn er still steht und eine Wand zu Boden fällt, blickt der Zuschauer in eine voll gerümpelte Wohnung. Überall steht altes Zeugs, von dem man sich nicht trennen konnte. Genauso, wie man sich von Erinnerungen nur schwer trennen kann. In diesem Container wohnt Amanda Wingfield mit ihrer behinderten Tochter Laura und ihrem zornigen Sohn Tom.

Der amerikanische Autor Tennessee Williams schildert in seinem Kammerspiel "Die Glasmenagerie" eine zerbrochene Familie - der Vater hat sich schon lange aus dem Staub gemacht. Das Trio verharrt in seinem Netz aus Kränkungen und Verletzungen und pflegt ihre ausgewachsenen Neurosen und Verdrängungsmechanismen. Einer davon ist: "Ich geht ins Kino." Das Entlastende am Kinobesuch ist die Möglichkeit, nicht man selber sein zu müssen und sein Leben in fremden Rollen leben zu können. Jedenfalls für eine gewisse Zeit, bis der Muff des stumpfen Daseins die Hülle aus Illusionen zersetzt. Martin Kindervater, Regisseur der Wuppertaler "Glasmenagerie", lässt die Figuren sich in Kinohelden verwandeln, um näher an ihren Träumen zu sein.

Tom ist nicht nur Sohn, sondern auch Batman, Amanda nicht nur Mutter, sondern auch Scarlett O'Hara aus "Vom Winde verweht", und die scheue Laura nicht nur Tochter, sondern auch die mordende Braut aus "Kill Bill". Die Idee vom Leben im Filmzitat stellt sich aber wie eine Leinwand vor das Figurenpersonal. Die Kostümshow verdeckt die Innenansichten. Das ist schade, weil Williams ein Meister der Zwischentöne ist. Die Brisanz des Stücks erwächst aus der Stille. Doch dafür ist das Ensemble taub.

Julia Wolff als Mutter spielt ihre Rolle zu eindimensional. Ihre Wutausbrüche sind vorhersehbar und klischeehaft angelegt. Das Gift der Enttäuschung vom eigenem Leben hat sie ihren Kindern liebevoll injiziert, ein schleichendes Gift, an dem sie wahrscheinlich zugrunde gehen. Die Laura von Lena Vogt läuft stur auf dem Gleis der ewig Verängstigten. Ihre Sehnsüchte drückt sie in einem Song aus, aber im Spiel überzeugt sie kaum. Von den Schwingungen der verminten Seelenlandschaft ist nur in der Szene mit Jim (Alexander Peiler) und Laura etwas zu spüren. Sie schleichen zwischen den Lügen der Erinnerung und der Wahrheit des Augenblicks hin und her. Doch da ist die Aufführung nicht mehr zu retten. Vielleicht wäre man besser ins Kino gegangen.

(RP)
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