Remscheid "Ich finde nicht, dass ich anders bin"

Remscheid · Seit über 20 Jahren arbeitet Silvia Ruhnke in der Werkstatt der Lebenshilfe Remscheid. Die 44-Jährige leidet am Down-Syndrom. Ihre Behinderung empfindet sie nicht als Einschränkung.

 Fehlerfreie Folien: An ihrem Arbeitsplatz in der Werkstatt der Lebenshilfe kontrolliert Silvia Ruhnke Streuscheiben für die Cockpitbeleuchtung diverser Fahrzeugtypen. Foto: Köhlen

Fehlerfreie Folien: An ihrem Arbeitsplatz in der Werkstatt der Lebenshilfe kontrolliert Silvia Ruhnke Streuscheiben für die Cockpitbeleuchtung diverser Fahrzeugtypen. Foto: Köhlen

Foto: Köhlen, Stephan

Mit ihrem rechten Zeigefinger fährt Silvia Ruhnke über die Kunststofffolie. Sie sucht nach Kratzern. Dafür schaut die 44-Jährige durch ein beleuchtetes Vergrößerungsglas. "Für die Kontrolle braucht man sehr gute Augen", sagt Silvia und legt das Folienstück in die Kiste rechts von ihr - dorthin sortiert sie alle "guten" Folien.

240 Menschen mit geistiger oder körperlicher Behinderung arbeiten bei der Lebenshilfe am Thüringsberg in Lennep. In der Werkstatt produzieren, montieren, kontrollieren und verpacken die Mitarbeiter verschiedenste Teile für Unternehmen aus der Region.

Für einen Autobauer kontrolliert Silvia Folien, die später für die Beleuchtung im Autocockpit eingesetzt werden. "Ich bin eigentlich eine Langschläferin, aber für die Arbeit muss ich jeden Morgen um sieben Uhr aufstehen", erzählt die Lüttringhausenerin, die in einer betreuten Wohngruppe lebt.

Seit ihrer Geburt leidet Silvia am Down-Syndrom. Die Krankheit wird durch einen Fehler im Erbgut ausgelöst. Alle 23 Chromosomen sind normalerweise doppelt vorhanden. Bei Menschen mit Down-Syndrom hat die Zellteilung das 21. Chromosom in drei Teile gespalten - in Fachsprache wird von "Trisomie 21" gesprochen. Angelehnt an das 21. Chromosom, findet heute, am 21. März, der "Welt-Down-Syndrom-Tag" statt.

"Menschen mit Behinderung werden immer noch von der Gesellschaft ausgegrenzt", sagt Laura Bootz, Sprecherin der Lebenshilfe, "dabei können wir so viel von diesen Menschen lernen und uns abschauen. Besonders in diesen turbulenten Zeiten." So seien Menschen mit Down-Syndrom herzlich, kontaktfreudig und vor allem frei von Vorurteilen. "Sie schauen nicht wie du aussiehst oder was du anhast, sondern achten auf deinen Charakter - und dann können sie auch relativ schnell entscheiden, wer es gut mit ihnen meint und wer nicht", erzählt Bootz.

Bei Helene Fischer brauchte Silvia keine Bedenkzeit, die Sängerin und ihre Musik hat die 44-Jährige sofort in ihr Herz geschlossen. Schlager findet sie ohnehin toll. Nach der Arbeit hört sie die Alben von Andrea Berg, Beatrice Egli und Helene Fischer rauf und runter. Außerdem ist sie großer Schalke 04 Fan. Das gefiele nicht jedem ihrer Arbeitskollegen, aber sie stehe zu ihrem Verein.

"Ich finde nicht, dass ich anders bin", sagt Silvia, "ich mache mir über meine Behinderung keine Gedanken." Für sie gäbe es Einschränkungen im Alltag nur aus körperlicher Sicht. "Ich mache sehr gerne Sport, kann mit meinen kurzen Beinen aber nicht schnell laufen oder rennen. Die Knie tun dann weh."

Doch davon lässt sich Silvia nicht unterkriegen: Jeden Montag tanzt sie Zumba, jeden Mittwoch trainiert sie ihre Muskeln im Gymnastik-Kurs. Mitglied ist sie auch im Remscheider Schwimm-und Turnverein und zieht regelmäßig ihre Bahnen im Becken. Nebenbei spielt sie auch noch Blockflöte.

Als großer Schlagerfan möchte sich Silvia bald einen Traum erfüllen: nach Mallorca fliegen und und den ganzen Tag zu Schlagermusik tanzen.

(laha)
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