Auftritt in der Remscheider Schatzkiste Heimspiel für Kabarettist Jens Neutag

Remscheid · Die Gags des gebürtigen Remscheiders waren teils bitter, die Pointen saßen, als der erfahrene Comedian jetzt in der Schatzkiste auftrat.

 Ein gewagtes Outfit, in dem sich Jens Neutag präsentierte: Anzug in Camouflage-Design zum Hemd in rosa. Wer‘s tragen kann...

Ein gewagtes Outfit, in dem sich Jens Neutag präsentierte: Anzug in Camouflage-Design zum Hemd in rosa. Wer‘s tragen kann...

Foto: Wolfgang Weitzdörfer

Um die 20 Jahre ist der Kabarettist Jens Neutag nun schon auf den Kleinkunstbühnen der Republik unterwegs. Der gebürtige Remscheider, eigentlich ausgebildeter Schauspieler, hat sich in dieser Zeit hauptsächlich dem bissigen Kabarett verschrieben.

„Allein - ein Gruppenerlebnis“ ist sein bereits achtes Soloprogramm. Mit dem ist er am Donnerstagabend in der recht gut besuchten Schatzkiste am Markt zu Gast gewesen. Und wenn man sich den Zustand der Welt ansieht, ist die Bedeutung des Kabaretts, das einerseits politisch ist, das andererseits aber auch der Gesellschaft den kritischen Spiegel vorhält, umso wichtiger.

Als Korrektiv, das den Irrsinn der oft nicht nachvollziehbaren politischen Entscheidungen kommentiert, nicht unwidersprochen lässt, wenn Kriege verharmlost werden, wenn Armut und gesellschaftliches Ungleichgewicht dafür sorgen, dass die Welt ein ungerechter Ort ist. Kabarett kann sicherlich nichts an diesen Zuständen ändern, es kann die Menschen aber durchaus zum Nachdenken bringen.

Und gemessen am Applaus, am Gelächter zwischendurch, das sicherlich oft einen bitteren Beigeschmack hat, allerdings durchaus von Herzen zu kommen scheint, wird klar, dass Neutag beim Remscheider Publikum einen Nerv trifft. Da fallen Sätze wie dieser auf fruchtbaren Boden: „Wenn der Neandertaler so schissig wie wir gewesen wäre, dann wäre er doch schon nach drei Tagen ausgestorben.“ Sie machen deutlich, dass die Gesellschaft durchaus mal eine Rückbesinnung auf frühere Zeiten vertragen könnte – und ein bisschen mehr Mut. Dazu passt auch die Aussage, dass es im Wald doch anders aussehe als bei Rewe im Regal, wenn man beim Survival-Aufenthalt in der Wildnis Sauerampfer, Klee, Hagebutte oder Brennnessel zum Überleben suchen muss.

Steckenbleibt das Lachen im Hals indes beinahe bei Ausflügen in die Militärpolitik. „Was ist der Unterschied zwischen einer Schießübung bei der Deutschen Bundeswehr und Parship - klar, bei Parship kannst du jemanden treffen.“ Gerade im Angesicht der derzeitigen Kriegs-Eskalationen in der Ukraine, ist das doch ein Gag, der in seiner Bitterkeit mitten ins Schwarze trifft.

Und dann wird Neutag sogar kurz richtig ernst. Denn Kriege ziehen sich schließlich auch nach dem Zweiten Weltkrieg durch die deutsche Geschichte. „Ich hoffe aber, dass man bei allen Kriegen, die da noch kommen werden, nicht nur überlegt, wie man in die Länder reingeht, sondern auch eine Idee hat, was man dort macht.“ Durchaus kriegerisch geht es in diesem Programm also zu, weshalb Neutags Camouflage-Anzug mit ebensolcher Krawatte gar kein so großer Stilbruch zu sein scheint.

Neutag ist auf dem schmalen Grat zwischen Komik und Kabarett unterwegs, er erzählt durchaus launig über seine Erlebnisse im Wald, in dem er mit einer Männergruppe gestrandet ist. Wenn er etwa über Bertram erzählt, der zunächst nicht mit der Sprache raus will, was er beruflich macht, ehe er zugibt, Politikberater von Karl Lauterbach zu sein – und den Gesundheitsminister dann ganz treffend imitiert. Nur um im nächsten Augenblick von der großen Klagefreude der Deutschen zu sprechen. „Wenn man sich so manche Klage hierzulande anguckt, muss man sich doch fragen, was in den Köpfen der Kläger vorgeht.

Da hat etwa einer seinen Urlaubsanbieter verklagt, weil zu viel Sand am Strand sei. Oder ein anderer hat das Land Mauritius verklagt, weil da zu viele Ausländer seien. Das Gericht hat dann dazu geschrieben, dass man beim Aufenthalt im Ausland auch mit Ausländer rechnen müsste.“ Neutag bewundere den Langmut der Gerichte. Er selbst würde einfach antworten: „Vielen Dank, Ihre Lebensunbedenklichkeitsentscheidung ist offensichtlich abgelaufen.“

Keine Frage, dieses Heimspiel des Kabarettisten mit dem insgesamt sehr sympathischen Auftreten hat funktioniert. Und dieser Spiegel, den er der Gegenwart vorhält, sorgt zumindest für befreiendes Gelächter. Auch wenn man sich vielleicht immer wieder selbst mit seinen eigenen Fehlern und Problemen wiedererkennt - aber wer über sich selbst lachen kann, ist doch schon einen Schritt weit auf dem richtigen Weg.

Und wenn es kaum zu glaubende Informationen sind, wie diese über das „Ministerium für Einsamkeit“, das im Vereinigten Königreich unter Premierministerin Theresa May gegründet worden sei, die garniert werden mit Sätzen wie diese: „Keine Ahnung, wer das leitet. Kaspar Hauser vielleicht. Oder Natascha Kampusch.“ Dann weiß man: Man hat es doch insgesamt noch ganz gut getroffen…

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