Wuppertal Eine Liebeserklärung an das Theater

Wuppertal · Vom Gutsbesitzer, der echte Verrückte kennenlernen möchte: Gefeierte Premiere der Komödie "Pension Schöller" im Opernhaus. Das spielfreudige Ensemble der Bühnen bietet dem Publikum gute Unterhaltung mit Witz und Niveau.

 Wer ist hier verrückt? (v.l.) Ida Klapproth (Lena Vogt), Professor Bernhardy (Konstantin Rickert), Philipp Klapproth (Stefan Walz).

Wer ist hier verrückt? (v.l.) Ida Klapproth (Lena Vogt), Professor Bernhardy (Konstantin Rickert), Philipp Klapproth (Stefan Walz).

Foto: Wuppertaler Bühnen

"Ich niebe das Theater", schwärmt Eugen und vergisst darüber glatt, dass er das L nur als N aussprechen kann. Eine Liebeserklärung an das Theaterspiel war auch die Aufführung der "Pension Schöller" durch das Wuppertaler Schauspielensemble. Die zweite Premiere der Spielzeit im Opernhaus in Barmen bewies, dass Komödien witzig und niveauvoll erzählt werden können. Wer wollte, konnte über den Begriff des Normalen in der Gesellschaft und dessen unklare Definition nachdenken - musste er aber nicht. Intendant Thomas Braus geht mit dieser Inszenierung konsequent den Weg der ungebremsten Spielfreude weiter.

Das 1890 von Wilhelm Jacoby und Carl Laufs geschriebene Lustspiel erzählt vom Gutsbesitzer Philipp Klapproth, der eine Irrenanstalt kennenlernen will, weil er sich von den Verrückten "witzige Geschichten" verspricht, die er, wieder zuhause, zum Besten geben will. Neffe Alfred soll ihm den Wunsch erfüllen - gegen Finanzierung einer Geschäftsgründung. Alfreds Freund Franz empfiehlt ihm die väterliche Pension Schöller mit ihren exzentrischen Gästen. Alle sind zufrieden, auch der hinters Licht geführte Klapproth amüsiert sich prächtig - bis ihn die vermeintlich Verrückten auf seinem Gut aufsuchen.

Regisseur Alexander Marusch inszeniert die Geschichte emotional, rasant, bewusst übertreibend, bewegungsreich, akrobatischen und vor allem mit choreographischen Einlagen und witzigen Wortspielereien. Seine Pension steht in Italien - jenem Sehnsuchtsland der Deutschen, Sinnbild für Temperament, Lebensfreude und lärmende Exaltiertheit. Gregor Sturm konzentriert das Bühnenbild auf zwei riesige, pertrolfarbene Samtsitzburgen, deren Verschachtelungen zahllose Gelegenheiten zum Turnen, Verrenken, Sitzen, Liegen, Erzählen und Verstecken bieten.

Grandios quält sich der federleichte Martin Petschan hinauf, der den verhinderten Schauspieler Eugen, Mündel von Pensionsbesitzer Schöller, hingebungsvoll wie tragisch gibt und dabei zum Publikumsliebling avanciert. Oben angekommen will er die berühmte Apfelschussszene aus "Wilhelm Tell" aufführen, müht sich, unverrichteterweise wieder herunter, bis der knapp 1,90 Meter große Klapproth den Leidensweg abkürzt und ihn kurzerhand hinunter hebt. Der Gutsbesitzer entgeht dem Schuss, gerät aber - den mit dem Gummiband auf den Kopf geschnallten Apfel vergessend - in Verdacht, der eigentlich Verrückte zu sein.

Es macht Spaß zuzuschauen, wie Stefan Walz als Klapproth mimisch und gestisch die Erzählungen der "Irren" "vertont" und in sich aufsaugt. Etwa wenn er Schriftstellerin Josephine Zillertal (Philippine Pachl) näher kommt und dem Begriff "Füßeln" zu neuer Bedeutung verhilft.

Jeder Schauspieler hat an diesem Abend seinen spielfreudigen Moment: Thomas Braus, der den Pensionschef gibt, beweist Nosferatu-Qualitäten, Konstantin Wickert gibt Professor Bernhardy als Mischung aus Che Guevara und Spätentwickler, den die Schwester Klapproths (Lena Vogt) erlöst - und sich gleich mit. Und der linkische Alfred (Alexander Peiler) kriegt seine Franziska (alias Julia Reznik), die nur einen falschen Schnurrbart entfernt in Freund Francesco steckt.

Selbstredend sind am Ende alle glücklich, ohne dass sie wirklich Konflikte lösen mussten. Selbst Eugen findet sein L wieder, nur Klapproth muss zahlen: Ihm kommt selbiges abhanden. Geboten wird Theaterunterhaltung in Bestform - zur Freude eines begeisterten Publikums.

(RP)
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