Remscheid Forscher über Kluft zwischen arm und reich

Remscheid · Das Foyer der Zentralbibliothek konnte die Gäste kaum fassen, die den Vortrag von Professor Butterwegge hören wollten.

 Professor Christoph Butterwegge.

Professor Christoph Butterwegge.

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Die Resonanz war überwältigend auf die Einladung zur Diskussion über das Thema "Armut in einem reichen Land". Lag es nun am Thema, dass das Foyer der Stadtbücherei die Zahl der Gäste kaum fasste? Oder lag es am Referenten, den die Remscheider Linken zum Vortrag gebeten hatten?

Schließlich hatten sie mit Professor Dr. Christoph Butterwegge vom Institut für vergleichende Bildungsforschung und Sozialwissenschaft an der human-wissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln einen ausgewiesenen Fachmann gefunden. Der als "Armutsforscher" bekannte Wissenschaftler erfüllte jedenfalls alle Erwartungen. So scheute er sich nicht vor provokanten Thesen, wie "Armut kann in einem reichen Land viel demütigender sein als Armut in einem armen Land." Er erklärte, dass sogar "absolute Armut", bei der nicht einmal die physischen Grundbedürfnisse befriedigen würden, wie Nahrung, Kleidung, Wohnung, in Deutschland vorhanden sei.

Weit verbreitet sei in Deutschland aber die relative Armut, die die Teilnahme am normalen gesellschaftlichen Leben verhindere. Und die sei, verbunden mit der sozialen Ächtung, sogar schlimmer. "Wenn ein Kind im Winter mit Sommerkleidung und Sandalen zur Schule kommt oder keine Markenklamotten trägt, wird es von seinen Klassenkameraden ausgelacht und ausgegrenzt, darunter leidet es wahrscheinlich mehr als unter der Kälte", sagte der Kölner Armutsforscher, "Armut sieht anders aus bei uns als in Kalkutta, aber sie ist ebenso entsetzlich." Butterwegge vertrat auch die These, "die enorme Kluft zwischen arm und reich besteht auch in unserer Gesellschaft", was ein strukturelles Problem sei. Regierungspolitik geschehe nach dem "Matthäus-Prinzip": "Wer hat, dem wird gegeben, wer wenig hat, dem wird auch das wenige genommen."

Mit dieser Behauptung läutete er die harsche Kritik an der deutschen Sozial- und Steuergesetzgebung ein, die in der Diskussionsrunde nach dem Vortrag mehrfach bestätigt und mit Beispielen belegt wurde. Selbst die Einführung von "Hartz IV" wurde für die "Demontage des Sozialstaats" mit verantwortlich gemacht.

Die Hartz-Reformen hätten das Armutsrisiko von Arbeitslosen und ihren Familien erhöht und wirkten einschüchternd und disziplinierend auf die Menschen. Patentrezepte gegen die gesellschaftliche Spaltung habe er nicht, musste Professor Butterwege einen Fragesteller enttäuschen, die er aber gleichwohl zu vermehrter Aktivität und Engagement ermunterte. "Man kann Gegendruck erzeugen, es muss außerparlamentarischen Druck geben", versuchte er die Besucher aufzurütteln, sonst werde die soziale Spaltung fortgesetzt.

(RP)
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