„Zeit“-Kritiker Ijoma Mangold liest in Remscheid Eine Jugend in Deutschland

Remscheid · Wenn ein Literaturkritiker die Seite wechselt und selbst als Autor hervortritt, besteht ein erhöhtes Risiko. Die Journalisten-Kollegen haben ein besonderes Augenmerk auf das Buch. Die virulente Neigung lauert, das Werk einer neidisch-strengen Betrachtung zu unterziehen.

 Der Autor Ijoma Mangold kommt am 18. März zu einer Lesung nach Remscheid.

Der Autor Ijoma Mangold kommt am 18. März zu einer Lesung nach Remscheid.

Foto: C.Sebastian/C. Sebastian

Ijoma Mangold, Literaturkritiker der Wochenzeitschrift „Die Zeit“, veröffentlichte vor zwei Jahren sein Buch „Das deutsche Krokodil“. Die Kollegen der Presse nahmen es wohlwollend bis euphorisch auf. Mangold erzählt darin die Geschichte, wie er als Sohn einer schlesischen Mutter und eines abwesenden Vaters aus Nigria in Deutschland aufwächst. Seine Biografie bekommt einen besonderen Aspekt, weil er nicht aussieht wie ein Deutscher, mit seiner dunklen Hautfarbe und seinem lockigen Haar. Daher ist er ein idealer Gast bei der Internationalen Lesereihe in der Zentralbibliothek Remscheid.

Worum geht es? Ijoma Mangold wächst in den 1970er Jahren in Heidelberg auf. Sein Vater ging früh nach Nigeria zurück. Erst 22 Jahre später meldet er sich wieder und bringt Unruhe in die Verhältnisse. Wie wuchs man als „Mischlingskind“ in der Bundesrepublik auf? Wie geht man um mit einem abwesenden Vater? Und womit fällt man in Deutschland mehr aus dem Rahmen: Mit einer dunklen Haut oder mit einer Leidenschaft für Thomas Mann und Richard Wagner? Erzählend beantwortet Ijoma Mangold diese Fragen, hält er seine Erlebnisse mit seiner deutschen und mit seiner afrikanischen Familie fest. Und nicht zuletzt seine überraschenden Erfahrungen mit sich selbst.

So klingt Mangolds Prosa„Dass ich exotisch aussah, schien an der Schule niemand groß zu bemerken. Damals gab es in der Bundesrepublik Ausländer, aber ich gehörte nicht dazu. Wenn wir in der Schule über Ausländerfeindlichkeit diskutierten (und das war regelmäßig der Fall), kam niemand auf die Idee, nach meinen Erfahrungen zu fragen. Meine fremdländische Aura wurde nicht nur nicht thematisiert, sie wurde gar nicht wahrgenommen. Woran das lag, kann ich nicht sagen, denn lange ist es mir selber nicht aufgefallen. Vermutlich an beidem, meiner Anpassungskunst und dem entspannten, weltoffenen, in so vieler Hinsicht begünstigten Heidelberger Klima. Und natürlich hatte es auch damit etwas zu tun: Ein Ausländer war – und ist! – jemand, der Probleme macht. Er muss zu einer Problemgruppe gehören, sonst ist er kein Ausländer, sondern hat nur eine interessante Lebensgeschichte, eine Lebensgeschichte, nach der man fragt, indem man sagt: ’Erzählen Sie doch mal!’ Bei einem Ausländer fragt man nicht nach seiner Lebensgeschichte, denn man kennt sie immer schon: Schulabbruch, Parallelwelten, Ehrenmorde.“

Was schreibt die Kritik „Der Aufstieg des schwarzen Reich-Ranick. Ein Buch zum Lachen und zum Weinen. Das müssen Sie lesen.“ (Bild)

„Viel mehr als eine persönliche Geschichte: Es ist zugleich ein Gesellschafts- und Epochenporträt en miniature“ (Süddeutsche Zeitung).

„Sehr gut geschrieben, in knappem, prätentionsfreiem Deutsch, klug, reflektiert, ohne ins Essayistische abzuschweifen, mit dem Talent, Figuren und Stimmungen präzise zu skizzieren.“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung).

Die Lesereihe Seit sieben Jahren organisiert eine Gruppe von Vereinen interkulturelle Lesungen in Remscheid. Dazu zählt der Caritasverband, die Deutsch-Indische-Gesellschaft, die Lütteraten, der Förderverein für Interkulturelle Erziehung, das Kommunale Integrationszentrum, die Schlawiner und der Kulturkreis im Heimatbund. Ab und zu gibt es Fördergelder von Stiftungen. Für Spesen und Unterkunft kommen die Veranstalter auf. Vor allem Jugendlichen soll durch die Begegnung mit Autoren der Wert eines Buches und der Sprache näher gebracht werden. Das ist das pädagogische Anliegen der Reihe. Jugendliche mit zwei Identitäten erfahren bei den Lesungen, dass sie nicht alleine sind mit ihren Problemen. Die Zahl der Menschen mit Migrationsgeschichte in Remscheid wächst. Es soll nicht beim reinen Zuhören bleiben. Die Begegnung mit den Autoren soll die Schüler auch ermuntern, selber zu schreiben und nach Ausdrucksmöglichkeiten für ihre Lebenssituation zu suchen. Daher liest der Autor und Kritiker Mangold abends nicht nur in den Räumen der Zentralbibliothek, sondern auch am nächsten Morgen vor Schülern des Gertrud-Bäumer-Gymnasiums.

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