Remscheid Ein Meister der schnellen Portraits

Remscheid · Erst im Alter von 80 Jahren erreichte der amerikanische Maler Holmead (1889 bis 1975) seine beste Schaffensphase.

Damit hat der Möbelfabrikant John Cliffort Phillips aus Pennsylvania sicher nicht gerechnet, als er seinem einzigen Sohn und Erben Clifford Holmead 1912 ein Auto schenkte. Der 23-Jährige baute kurz darauf einen Unfall. Ein Schreck, der ihn dazu veranlasste, das Gefährt sofort wieder zu verkaufen. Von dem Erlös erwarb er eine Schiffspassage nach Europa. Er soll mit dem Schwesterschiff der Titanic unterwegs gewesen sein. Sicher in Europa gelandet, besuchte er zahlreiche Museen, begeisterte sich für die Kunst der Antike bis hin zur Moderne und kehrte schließlich heim mit dem Entschluss, Maler zu werden.

Er wurde ein Künstler abseits des Mainstream. Ein Künstler, der aufgrund seiner familiären Herkunft auf Einnahmen nicht angewiesen war. Ein Künstler, in dem ein amerikanisch stolzes Herz pochte, das Handwerk der Kunst sich selbst beigebracht zu haben. Ein Künstler, der nie eine Kunstakademie besuchte und der mit 80 Jahren seine besten Bilder malte. Die Kunsthalle Barmen des Von der Heydt-Museums zeigt nun etwa 100 Arbeiten des Malers.

Da der Autodidakt in Europa viele künstlerische Anregungen fand, die ihn interessierten, überquerte er fast 30 Mal den Atlantik. Holmead (1889 bis 1975) lebte unter anderem in Paris und New York, in Brügge und den Neuengland-Staaten, in München, Oslo und zuletzt in Brüssel. Er nannte selbst nennt seinen Stil "Crude Expressionism" - eine schnörkellose, rohe Version des Kunststils.

In dichten Farblagen, die er mit Pinsel und Spachtel aufträgt, malt er triste Randgebiete der wachsenden Städte, Vorortsiedlungen, zerrissen durch Straßenzüge und Gleisanlagen, aber auch weite Landschaften unter meist düsterem Himmel. Alles Werke, die aber gegenüber seinen späten Portraits epigonal verblassen.

Ab 1956 lebt der Amerikaner schließlich zurückgezogen in Brüssel, wo nach einem Schlaganfall sein furioses Spätwerk entsteht. "Viele Jahre habe ich in meinem Sarg geschlafen, doch dann entschloss ich mich aufzustehen und etwas zu tun", schrieb der Künstler. "So erfand ich shorthand painting, eine Methode, die nur bestehen kann, wenn sie augenblicklich und spontan ausgeführt wird und gleichzeitig kristallklar." Man könnte es auch die Fünf-Minuten-Bilder nennen. Holmead skizzierte Gesichter aus der Erinnerung. Mit wenigen heftigen auf die Leinwand geworfenen Spachtelstrichen malte er verstörende Köpfe und Figuren, mit reduzierter Mimik und knapper Gebärde. Es sind Charakterköpfe, die beeindrucken. Obwohl der Aufbau der Bilder sich immer ähnelt - die Augen liegen weit nach außen, die Nase nur ein Strich in der Mitte - skizziert er mit wenigen Strichen etwas Typische, Individuelles. In der Verzerrung durch die Spachteltechnik schaffen sie Assoziationen zu Portraits von Bacon. Aber Almead fand den großen englischen Maler schrecklich.

Info Die Ausstellung ist bis zum 5. Mai in der Barmer Kunsthalle, Geschwister-Scholl-Platz, zu sehen. Öffnungszeiten Di. bis So 11 bis 18 Uhr.

(RP)
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