Ansichtssache Die Zaunkönige vom Jahnplatz

Meinung | Remscheid · Der Platzwart vom Jahnplatz in Lüttringhausen ist zum Zaunkönig befördert worden. Seine Arbeitsplatzbeschreibung hat sich jüngst um einen bedeutenden Aufgabenbereich erweitert. Er soll darauf achten, dass die Fußballer bei ihren Schussversuchen den Ball nicht über den acht Meter hohen Zaun dreschen. Eine vom Sportamt eilig verhängte Notmaßnahme, um zu verhindern, dass der Vorgarten und die Hausfassade der dahinter lebenden Familie Hülsenbeck weiter zerschossen werden.

Ansichtssache: Die Zaunkönige vom Jahnplatz
Foto: Moll Jürgen

Wir stellen uns vor, wie der arme Mann seine neue Aufgabe nun nachzugehen versucht. Wird am Eingang nun ein kleines Schusstraining absolviert (Oberkörper nach vorne, bloß nicht in Rücklage geraten), um potenziellen Fehlschützen anschließend zu untersagen, sich mit Ball in Strafraumnähe aufzuhalten? Sollte ein Spieler dennoch in der verbotenen Zone in unbeholfener Rücklage auftauchen, wird er mit einem furchterregenden Pfiff in Schockstarre getrieben. Phonetisch könnte der Platzwart dabei auf das Klangbild des Zaunkönigs zurückgreifen. Dabei handelt es sich um ein kräftiges "Zerrr", das bei 90 Dezibel auch noch aus 500 Meter Entfernung gut zu vernehmen ist.

Oder postiert sich der gute Mann mit einem von den Stadtwerken ausgeliehen Hubwagen hinter dem Tor, um mittels Stangen und anderen Schussabwehrgeräten den Luftraum vor dem Hause Hülsenbeck von Fußballgeschossen frei zu halten?

Mit dem Hinweis in einer Vorlage auf die neuen Aufgaben des Platzwarts zeigt die Verwaltung nun endgültig, dass sie nicht mehr alle Latten am Zaun hat - um im Bild zu bleiben. Über Jahre werden die Probleme der Anwohner abgebügelt, ignoriert und auf die lange Bank geschoben. Vom eigenen Rechtsamt musste sich die Stadt bestätigen lassen, dass sie für ihren Sportplatz einer gewissen Sorgfaltspflicht nachkommen muss. Seit Oktober werden nun Gespräche geführt mit dem Ziel, den Zaun auf die nötigen zwölf Meter - so wie er früher mal war - zu erhöhen. Seit Oktober! Und immer noch liegt kein statisches Gutachten vor. Dazu kann man in der Sprache des Zaunkönigs nur sagen: "Zerrr, Zerrr".

Sachzwänge hin, Personalmangel her - wer so mit Bürgern umgeht, muss sich nicht wundern, dass viele nur noch mit dem Kopf schütteln, wenn sie schon das Wort "Stadtverwaltung" hören. Mit dem Fall am Jahnplatz hat die Verwaltung den Vogel der Bür- gerunfreundlichkeit abgeschossen. Der Zaunkönig gehört in der Tierwelt zur kleinsten seiner Art. Er kann sich bestens tarnen. Die Zaunkönige vom Jahnplatz sind enttarnt - als ahnungsloser Hühnerhaufen.

(RP)
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