Interview Andreas Roeschies Die meisten Unfälle gibt es auf Radwegen

Remscheid · Der ADFC-Experte spricht über Sicherheit, die Wirkung der Trassen und die Umfrage zum Radlerklima.

Herr Roeschies, wie oft fahren Sie mit dem Rad?

Andreas Roeschies Drei- bis viermal in der Woche.

Nur in der Freizeit oder auch im Alltag?

Roeschies Es ist leider nur Freizeitbeschäftigung, weil ich alle anderen Wege zu Fuß machen kann. Wenn das nicht ginge, würde ich versuchen, das Rad dafür zu nutzen, wenn es irgendwie geht.

Die Grünen sagen, das Fahrrad wird durch E-Bikes und Pedelecs immer beliebter in Remscheid. Sehen Sie das auch so?

roeschies Das ist so. Da haben die Trassen einen riesigen Effekt. Diejenigen, denen man als Kind erzählt hat, man kann hier nicht Fahrrad fahren, merken jetzt, das stimmt gar nicht.

Hat das nur mit den E-Bikes und den Trassen zu tun?

roeschies Die Trassen machen es leichter für alle, die nicht gerne im Straßenverkehr unterwegs sind oder sich nicht trauen, weil sie länger nicht gefahren sind. Der ein oder andere merkt dann, dass er auch mit dem Rad fahren kann, wenn er mal eine Kleinigkeit vom Supermarkt braucht. Und ein Effekt des E-Bikes ist auch, dass der ein oder andere Hügel seinen Schrecken verliert. Aber wenn ich mich etwa nur innerhalb von Lennep bewege, brauche ich kein E-Bike.

In der jüngsten Befragung des ADFC zum Fahrradklima in Deutschland schneidet Remscheid schwach ab. Überrascht Sie das?

roeschies Das ist keine Überraschung. Große Teile der Politik haben noch nicht erkannt, dass das Rad beliebter wird. Stattdessen versucht man seit 60 Jahren Staus zu vermeiden, indem man die Straßen für die Autos immer größer macht. Je attraktiver aber die Straße für Autos wird, umso mehr Autos fahren. Uns fehlen aber die Flächen für mehr Straßenraum. Dieser Teufelskreis lässt sich nicht durchbrechen. Das Auto ist durchaus sinnvoll, aber es benötigt viel Platz, auch wenn es geparkt und nicht bewegt wird. Die meisten Menschen, die mit dem Auto zur Arbeit fahren, machen es nicht, weil es so toll ist, sondern weil die Alternativen noch lästiger sind. Dieser Teufelskreis lässt sich nur durchbrechen, wenn man die Anzahl der Autos und der Autofahrten reduziert. Dann läuft es für alle flüssiger. Ein Pkw steht im Durchschnitt 23 Stunden am Tag und verbraucht Platz, der meines Erachtens sinnvoller für den fließenden Verkehr genutzt werden sollte. Mit Car-Sharing ließe sich in Großstädten einiges verbessern.

Was ist mit der Alternative, mit der Bahn zu fahren?

roeschies Das hängt von der Strecke ab. Als ich noch in Dortmund gewohnt habe, bin ich mit dem Auto nach Marl zur Arbeit gefahren. Das hat etwa 40 Minuten für eine Fahrt gedauert. Mit dem Zug hätte ich 2,5 Stunden gebraucht pro Strecke. Da ist es dann relativ einfach, wofür ich mich entscheide. Wenn man also will, dass es weniger Staus gibt, muss man die anderen Verkehrsmittel attraktiver machen.

Sie haben das Platzproblem auf den Straßen angesprochen. Wo passen da dann noch die Radfahrer hinein?

roeschies Man muss im Einzelfall auch mal überlegen, lasse ich eine Autospur oder Parkplätze weg und mache dafür eine Radspur. Wenn das gut geplant ist, läuft es dann am Ende für alle besser. Und wenn ich mit dem Rad in die Stadt fahre, tue ich auch einem Autofahrer einen Gefallen, weil ich keinen Parkplatz belege.

Sich die Straße mit Autos zu teilen, schreckt aber viele Radfahrer. Die bergischen Autofahrer sind an Radfahrer ja kaum gewöhnt und nehmen wenig Rücksicht. Anders als in Münster etwa.

roeschies Das stimmt. Je mehr Leute mit dem Fahrrad fahren, desto geringer wird das individuelle Risiko. Das haben Studien eindeutig belegt. Ob die bergischen Autofahrer wenig Rücksicht nehmen, kann ich nichtbeurteilen. Dass sie nicht an Radfahrern gewöhnt sind, ist natürlich richtig.

Radwege sind teuer. Gibt es einfachere, weniger kostspielige Wege, das Radfahren in der Stadt zu verbessern

roeschies Man muss einfach wissen, dass das Radfahren auf der Straße nicht so gefährlich ist, wie viele denken, weil man dort am besten gesehen wird. Die meisten und schwersten Radunfälle geschehen ausgerechnet auf Radwegen.

Wie kommt das?

roeschies Stellen Sie sich vor, sie wollen als Autofahrer rechts abbiege. Neben der Straße parken Autos, dahinter liegt der Radweg. Sie müssten auf den Radfahrer achten, aber Sie können ihn kaum sehen. Wenn der Radfahrer dagegen auf der Straße vor ihnen fährt, haben sie ihn im Blick und fahren ihn gar nicht erst um. Die Hauptunfallursache mit Fahrrädern sind rechstabbiegende Lkw, deren Fahrer nicht schauen. Man könnte einwenden, dass die Fahrer den Radweg schlecht sehen können, aber gucken müssen sie trotzdem.

Heißt das, Sie sind nicht unbedingt ein Fan von separaten Radwegen?

Roeschies Separate Radwege wie die Trasse sind gut, wenn man ganz abseits von der Straße radeln will. Das ist angenehmer und ruhiger. Es macht sicher keinen Spaß, über die Neuenkamper Straße zu fahren. Leider gibt es keine Alternative. Prinzipiell aber bin ich als Radfahrer da sicher, wo ich gut gesehen werde.

Noch mal zurück zur ADFC-Befragung. Wuppertal hat viele Plätze gut gemacht. Was macht die Stadt besser als Remscheid?

roeschies Wuppertal hat durch die Nordbahntrasse noch viel mehr Auftrieb als wir, weil diese Trasse einmal quer durch die ganze Stadt verläuft. Die Balkantrasse ist eine gute Verbindung nach Bergisch Born und nach Wermelskirchen, aber sie ist keine innerstädtische Achse. Die Werkzeugtrasse mit ihren drei Kilometern ist ganz nett, aber sie ist keine Alternative zu herkömmlichen Wegen. In Wuppertal entdecken vielen Bürger die Trasse, um in der Stadt von A nach B zu kommen. In Wuppertal führt sie etwa direkt zum großen Akzenta-Supermarkt.

HENNING RÖSER FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(RP)
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