Remscheid Die Frau von der Baustelle

Remscheid · Als Bauleiterin koordiniert und überwacht Mukaddes Ergül bei der Stadt Remscheid große Projekte. Die Modernisierung des Lenneper Bahnhofes oder der Bau des Nordstegs am Hauptbahnhof gehören dazu. Dass die 36-Jährige dabei meist allein unter Männern ist, stört sie nicht. Richtig derb wird es selten.

Irgendwie hat sie dieses Bild schon immer fasziniert: Da läuft eine Frau mit Helm auf dem Kopf und Plan in der Hand auf einer Baustelle herum und bespricht mit den Arbeitern die nächsten Schritte. "In der Oberstufe habe ich noch überlegt: BWL oder Baustelle", erzählt Mukaddes Ergül. Doch gleich nach dem Abitur war der Weg klar, die heute 36-Jährige begann an der Fachhochschule Köln zu studieren. Und zwar Bauingenieurwesen.

Etwa ein Drittel Frauen stand zu Beginn noch den männlichen Kommilitonen gegenüber. Mit jedem Semester schwand die Anzahl. Erst recht, nachdem sich die gebürtige Leverkusenerin weiter in Richtung konstruktiver Ingenieurbau spezialisierte. Seit neun Jahren arbeitet Mukaddes Ergül jetzt bei der Stadt Remscheid und überwacht als Bauleiterin große Projekte wie die Modernisierung des Lenneper Bahnhofes oder den Umbau des Hauptbahnhofes. Zudem wartet sie als Statikerin Brücken und Stützmauern. Dazu gehören auch tägliche Rundgänge auf den Baustellen.

Für Mukaddes Ergül ist das der schönste Teil ihrer Arbeit. "Besonders dann, wenn es kleinere Probleme gibt, die man an Ort und Stelle lösen kann", erklärt sie. Dass sie dabei allein unter Männern ist, stört die hübsche Frau nicht. "Sie begrüßen mich sehr höflich und nehmen sich manchmal sogar extra zusammen", erzählt sie lachend. Denn natürlich sei der Umgangston auf Baustellen etwas derber.

Kein "Tussi-Mädchen"

Probleme mit der Hierarchie habe es bislang nie gegeben. Als Bauleiterin zollen ihr die männlichen Kollegen Respekt. Das liegt sicher auch an ihrer offenen und unkomplizierten Art. "Ich bin nicht zugeknöpft und gehe auf die Menschen zu", sagt Ergül über sich selbst. Während eine Baumaßnahme läuft, ist sie oft tagelang mehr draußen unterwegs als im Büro. Besonders zu Beginn, wenn es gilt die Firmen kennen zu lernen und gegenseitiges Vertrauen aufzubauen.

"Natürlich frieren mir da auch mal die Füße halb ab. Aber das wusste ich ja vorher, dass ich in Kälte und Matsch stehe", sagt sie lachend. Ein "Tussi-Mädchen" sei sie ohnehin nie gewesen. Ihre Eltern, die aus der Türkei stammen, waren daher auch nicht sonderlich überrascht über den ungewöhnlichen Weg, den die Diplom-Ingenieurin einschlug. "Ich glaube, sie sind heute sehr stolz", sagt Ergül.

Einen kleinen Unterschied gibt es dann aber doch noch zu ihren drei männlichen Bauleiter-Kollegen bei der Stadt Remscheid: "Ich bringe in Planungen die Ästhetik als meine weibliche Seite mit ein", erklärt sie. Und für einen kleinen Plausch mit ihren Kolleginnen in der Verwaltung ist Mukaddes Ergül gern zu haben.

Auch, wenn sie ihrer Leverkusener Heimat bis heute treu geblieben ist, hat sich die 36-Jährige Kontakte zu den Remscheidern aufgebaut. Sie ist Mitglied im Partnerschaftsverein Remscheid-Quimper und nimmt am Französischunterricht teil. An den Wochenenden lernt sie seit eineinhalb Jahren ein türkisches Lauteninstrument, fit hält sie sich mit Yoga und Krafttraining.

Unter all den Männern auf der Baustelle war für Mukaddes Ergül der richtige noch nicht dabei. "Aber ganz ehrlich, mir wäre es auch lieber, wenn mein zukünftiger Partner nichts mit der Baubranche zu tun hätte", sagt sie. Schließlich gibt es noch ein Leben nach der Baustelle.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort