Vorstellung im Teo Otto Theater „Der Trafikant“ – ein Stück, das auch Mut macht

Remscheid · Das Westfälische Landestheater präsentierte im Teo Otto Theater zwei Aufführungen des Stücks “Der Trafikant“ von Robert Seethaler.

 Das Westfälisches Landestheater zeigte das Stück nach dem gleichnamigen Roman von Robert Seethaler.  Foto: Moll

Das Westfälisches Landestheater zeigte das Stück nach dem gleichnamigen Roman von Robert Seethaler. Foto: Moll

Foto: Jürgen Moll

In Zeiten von Querdenkern, die Hand in Hand mit Antisemiten und Rechtsextremen „spazieren gehen“, ist die Auseinandersetzung mit den Ursprüngen des Nationalsozialismus offensichtlich nicht genug vorhanden. Umso wichtiger sind da Theaterstücke wie „Der Trafikant“ von Robert Seethaler, das vom Westfälischen Landestheater nach Remscheid gebracht wurde.

Die Geschichte spielt 1937/38 - in der österreichischen Landeshauptstadt Wien, kurz vor dem sogenannten Anschluss. Der junge Franz (Chris Carsten Rohmann) kommt aus dem verschlafenen Salzkammergut in die brodelnde Großstadt, um beim Trafikanten Otto Trsnjek (Mark Plewe) in dessen Tabak- und Zeitungsgeschäft in die Lehre zu gehen. Für den jungen Mann ist das Leben plötzlich ganz anders. Er lernt neue Menschen kennen, etwa die junge Anezka (Luisa Cichosh), in die er sich umgehend verliebt und mit der er auf dem Prater die Wirren der ersten Liebe erlebt. Oder den renommierten und bereits alten Psychologie-Professor Sigmund Freud (Vincent Bermel). Zwischen Franz und Freud entwickelt sich eine durchaus ungewöhnliche Freundschaft, die im gegenseitigen Austausch zwar funktioniert, aber doch schon bald unter einem schlechten Stern steht. Denn die sich zuspitzende Unzeit, der am nicht mehr ganz fernen Horizont dräuende Nationalsozialismus, gebiert schon die ersten unsäglichen Auswüchse.

Nicht alles scheint jedoch schlecht. „So ist es eingeimpft in die unsäglich blöden Gehirne des Menschengeschlechts - aber nicht in meines“, wütet der Trafikant etwa, nachdem mit Schweineblut die Parole „Schleich dich, Du Judenfreund!“ ans Schaufenster geschmiert worden ist. Und doch, die Anzeichen mehren sich, während der junge Franz zwischen Liebeskummer und Liebesglück schwankt und sich Hilfe bei dem berühmten Psychoanalytiker sucht. Doch auch der kann ihm kaum helfen. „Gewinn sie zurück – oder vergiss sie“, sagt Freud.

Auch bei seiner Mutter (Thyra Uhde), mit der er regelmäßig im Briefaustausch steht, findet er keine Hilfe. Allerdings sollten die Umstände sowohl Liebe als auch Freundschaft ohnedies schon bald einen unüberbrückbaren Riegel vorschieben.

Das Ensemble (Inszenierung: Felix Sommer) aus Castrop-Rauxel nutzte die Möglichkeiten des modernen Theaters sehr gut - auf der Bühne (Ausstattung: Rabea Stadthaus) standen mehrere Kisten, auf eine überdimensionierte Zigarrenkiste wurden Bilder projiziert, Passanten übernahmen die dramaturgische Erzählung jenseits der Dialoge. Die Geschichte wurde so sehr flott erzählt, beklemmend war dabei aber vor allem, dass man eben ganz genau wusste, dass mit einem Happy End nicht zu rechnen war. Weder für Franz, noch für den von der Gestapo ermordeten Trafikanten, aber auch nicht für Anezka oder Freud. Und das war vielleicht die eindrücklichste Erkenntnis: Dass unter einer Diktatur das Leben zwar weitergeht – aber nicht für jeden, und auch nicht wirklich gut. Eine Tatsache, die man besser niemals vergessen sollte. Insofern ließ sich der Applaus nach dem bedrückenden – und doch mutmachenden – Schluss auch als Hoch auf Freiheit und Demokratie deuten. Denn Franz warf „das Adolf-Kreuz“, die Hakenkreuzflagge, in den Dreck und hisste stattdessen die Hose des ermordeten Trafikanten. „Wie ein riesiger Zeigefinger, der den Menschen den Weg weist“, habe das ausgesehen. Wohin? „Weg. Weit, weit weg.“

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