Remscheid Damit ungewollte Kinder überleben

Remscheid · Die Vertrauliche Geburt soll Frauen helfen, anonym und trotzdem medizinisch versorgt ein Baby zur Welt zu bringen.

 In sicheren Händen sollen Kinder sein, die von ihren Eltern nicht gewollt sind.

In sicheren Händen sollen Kinder sein, die von ihren Eltern nicht gewollt sind.

Foto: Lothar Berns

Neun Monate hatte Sophie, 20, ihre Schwangerschaft ignoriert, bis zu diesem Vormittag, als es einfach nicht mehr ging. Die Wehen setzen ein, das Mädchen bringt das Kind auf den kalten Fließen im Badezimmer ihrer Eltern zur Welt. Allein. "Doch wohin mit dem Baby, wie soll ich das erklären?" Aus Angst, vor der Rückkehr ihrer Familie und den Vorwürfen, wirft Sophie das Kind panisch aus dem fünften Stock des Mehrfamilienhauses.

Immer wieder gibt es solche Fälle. Aus Angst, Verzweiflung und Unwissenheit greifen Mädchen und Frauen zu drastischen Maßnahmen. Seit Mai dieses Jahres gibt es eine Option, die es Frauen ermöglicht, unter ärztlicher Aufsicht ihr Baby zur Welt zu bringen und es abzugeben, ohne ihren Namen zu hinterlassen. "Die Vertrauliche Geburt soll Kindstötung vermeiden", sagt Maren Wunderlich-Gewers von der Schwangeren- und Schwangerenkonfliktberatung des Diakonischen Hilfswerks in Remscheid. "Frauen bekamen das Baby hinterm Busch und brachten es dann zur Babyklappe oder warfen es weg", sagt sie, "oder sie gingen ins Krankenhaus und rannten weg" - aus Angst davor die Daten angeben zu müssen. Hier sprechen die Experten von der anonymen Geburt, die in Zukunft vermieden werden soll.

"Jede Frau, die ein Kind erwartet, kann die vertrauliche Geburt in Anspruch nehmen, auch Minderjährige", sagt Bernd Bündgen von der Beratungsstelle pro familia. Durch die Vertrauliche Geburt soll eine gute Alternative geschaffen werden.

Frauen, die sich für die Vertrauliche Geburt entscheiden, können sich online oder via Telefon anmelden. "Die erste Nummer, die man anrufen sollte ist die 08004040020. Dann wird man zu einer regionalen Beratung verwiesen", sagt Bündgen. In Remscheid sind das vier an der Zahl, neben Diakonie und pro familia beraten auch esperanza und donum vitae. Allerdings kann die Frau überall in Deutschland hingehen.

Nach der Anmeldung kommt die Frau in die Beratungsstelle und zeigt dort ein einziges Mal ihren Ausweis. Anschließend bekommt sie ein Pseudonym, mit dem sie zu Ärzten, in die Beratung und zur Entbindung gehen kann.

Unter diesem werden die Frauen auch bei Vorsorgeuntersuchungen oder der Entbindung behandelt. Wenn die Schwangere beispielsweise in einem Krankenwagen liegt, kann sie darauf verweisen, dass sie keine Versichertenkarte benutzen möchte, die Vertrauliche Geburt in Anspruch nimmt und ihr Pseudonym angeben, erklären die Berater. In Remscheid wurden an einem runden Tisch, alle Beteiligten wie Krankenhäuser, Jugendamt und Frauenhäuser über vertraulichen Geburt informiert. Die Beratung sowie die Vorsorgeuntersuchen sind nicht verpflichtend. Die Frauen können selbst entscheiden.

Ein großer Unterschied zur anonymen Geburt ist, dass das Kind bei der vertraulichen ein Recht darauf hat, seine Herkunft zu erfahren, die Mütter können sogar einen Brief hinterlassen. "Das Kind hat die Möglichkeit, ab dem 16. Lebensjahr die Einsicht seiner Herkunft zu erfahren." Außer es geht auch noch nach diesen 16 Jahren eine Gefahr für die Mutter aus, etwa aus dem familiären Umfeld. In Remscheid gab es bis jetzt einen Fall, in der sich eine Frau für die vertrauliche Geburt entschied. Das Verfahren ist noch neu, es gibt noch wenig Erfahrungen.

Doch Wunderlich-Gewers und Bündgen gehen davon aus, dass viele Frauen erst kurz vor der Entbindung oder sogar danach die vertrauliche Geburt in Anspruch nehmen werden. Doch auch wenn eine Frau erst im Krankenhaus von der Option erfährt, kann sie noch eine vertrauliche Geburt wählen. "Unter der Voraussetzung, dass der Name noch nicht gefallen ist", sagt Bündgen.

(RP)
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