Ansichtssache Eine Jugend in Remscheid

Meinung · Ein Unterschied zur Jugend vor 45 Jahren besteht darin, dass im öffentlichen Raum die Plätze zum Rumgammeln fast verschwunden sind.

 Christian Peiseler.

Christian Peiseler.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Kürzlich traf ich mich mit Freundinnen und Freunden aus der sogenannten guten alten Zeit. Als auf der Allee-Straße vorm Tchibo der „Kringel“ aus Waschbeton aufgestellt wurde, die Tasse Kaffee 30 Pfennige kostete und im Metropol-Kino Filme liefen wie „Zwei wie Pech und Schwefel“, „Schulmädchen-Report II“ und „Hexen bis aufs Blut gequält“. Wir haben beim Treffen verwackelte Filmaufnahmen aus dieser Zeit gesehen. Jugendliche standen dicht gedrängt in einem Strom aus Allee-Besuchern. Auch wenn der Verklärungsfaktor abgezogen wird - es war eine große Zeit, im Remscheid der 70er Jahren jung gewesen zu sein. Wir konnten uns unterm Radar der Eltern und Lehrer entwickeln.

Und heute? Ist alles schlechter geworden? Leicht lassen sich zehn Gründe aufschreiben, warum es woanders viel, viel besser ist. Die Wirklichkeit sieht aber glänzender aus, als das Gemecker sie erscheinen lässt. Als kleine Großstadt hat sie für die Jugend viel zu bieten, wenn man die Möglichkeiten denn auch wahrnimmt. Mit Jugendzentren wie Welle, Kraftstation, Gelbe Villa und „Schlawiner“ sorgt die Stadt für kontinuierliche Angebote. Es gibt eine lange Liste an Newcomer-Festivals. Die Sportvereine buhlen inzwischen um jedes junge Mitglied. Nicht zu vergessen sind die Angebote der Kirchen und die Möglichkeiten der kulturellen Bildung, sei es in den Musik- und Kunstschulen, in den Kinder- und Jugendbibliotheken oder durch Freikarten fürs Konzert im Teo Otto Theater. Welche starken Seiten die Stadt besitzt, zeigt sich in Projekten wie „die Kinderstadt“ oder Circus Casselly. Die Kooperationswilligkeit der unterschiedlichen Träger ist ein großer Pluspunkt im Stadtleben. Bisher hat Remscheid es immer geschafft, für Jugendliche ein Ort der Entfaltung zu sein. Und jede Generation sucht nach anderen Ausdrucksformen. Es wäre verwunderlich, wenn es eine Generation von Jugendliche gäbe, die an Remscheid nichts auszusetzen hätte. Verbesserungsbedarf gab es damals wie heute.

Ein Unterschied zur Jugend vor 45 Jahren besteht darin, dass im öffentlichen Raum die Plätze zum Rumgammeln fast verschwunden sind. Kringelerfahrungen wie auf der alten Alleestraße sind spärlicher geworden, auch weil die Schule sich immer mehr in die Freizeit der Schüler gedrängt hat. Schade eigentlich. Für alle.

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