Das Gedächtnis der Stadt 90-Jähriger trifft Jugendliebe dank Stadtarchiv

Remscheid · Die Dame, die sich vor nicht zu langer Zeit telefonisch beim Remscheider Stadtarchiv meldete, hatte einen delikaten Auftrag. Es ging um eine Liebe, die im Strudel der Zeit versunken, aber offenbar nicht erloschen war.

 Archivleiterin Viola Schwanicke und Auszubildende Hanna Jeretzki (Foto rechts) hüten den Dokumentenschatz der Stadt.

Archivleiterin Viola Schwanicke und Auszubildende Hanna Jeretzki (Foto rechts) hüten den Dokumentenschatz der Stadt.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Ihr Bekannter, ein über 90-jähriger Herr habe sie beauftragt, nach einer etwa gleichaltrigen Frau zu suchen, die in einem Altenheim lebte. Die Spur bisheriger Recherchen führt nach Remscheid. Zuletzt gesehen hätten sich die beiden vor dem Krieg, als der Mann ins Feld ziehen musste. Dann verloren sie sich aus den Augen, heirateten andere Partner, doch nun sei der Mann längst Witwer und wolle seine Jugendliebe wiedersehen.

Die Archivmitarbeiter halfen und fanden die Frau, die inzwischen einen anderen Namen trug. Der über 90-Jährige machte sich aus Süddeutschland auf den Weg zu dem Remscheider Altenheim. Doch seine große Liebe erkannte ihn nicht mehr. Sie war an Demenz erkrankt.

Wer sein Gedächtnis verliert, verliert seine Identität. Das gilt für Menschen, aber auch für Städte. Das Remscheider Archiv ist das Gedächtnis der Stadt. Der historische Schatz, der an der Hastener Straße in eigens klimatisierten Räumen sicher verwahrt wird, ist riesig. Allein die Präsenzbibliothek umfasst mehr als 10 000 Bände zur Geschichte der Stadt.

Hinzu kommen hunderte Regalmeter mit Urkunden, Akten und Dokumenten, Adressbücher, Karten, Stiche und Zeitungsbände. Ein großes Foto- und Filmarchiv hält lokale Ereignisse fest, wie Ausstellungen und Feste oder etwa den Bau der Müngstener Brücke. Das älteste Stück ist eine Notariatsabschrift aus dem 16. Jahrhundert. Sie dokumentiert eine Privilegienbestätigung der Stadt Lennep vom 1. Oktober 1325.

Das Stadtarchiv ist weit mehr als eine Fundgrube für Geschichtsstudenten. Neben der klassischen Erbenermittlung mit weltweiten Anfragen von Notaren, Gerichten, Nachlasspflegern nutzen auch viele Privatmenschen die Bestände, um mehr über ihre Wurzeln zu erfahren. Wer waren meine Vorfahren? Wo und wie haben sie gelebt? "Familiengeschichte liegt im Trend, es gibt immer mehr Anfragen", sagt Archivleiterin Viola Schwanicke. Wegen des stetig wachsenden Interesses hat das Archiv einen Service mit ehrenamtlichen Helfen eingerichtet, die Familienforschern zur Hand gehen.

(RP)
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