50 Jahre anonyme Alkoholiker in Remscheid Wege aus der Hölle der Alkoholsucht

Remscheid · Seit 50 Jahren gibt es die Anonymen Alkoholiker in Remscheid. Eine Frau erzählt ihre Geschichte.

 An der Flasche zu hängen ist nicht nur für den Süchtigen, sondern zumeist auch für Familie und Freunde eine große – und manchmal zu große – Herausforderung.

An der Flasche zu hängen ist nicht nur für den Süchtigen, sondern zumeist auch für Familie und Freunde eine große – und manchmal zu große – Herausforderung.

Foto: dpa/dpa, Jens Büttner

Es war der Tiefpunkt ihres Lebens. Ihr Mann knallte die Weinbrandflasche auf den Tisch und stellte ihr ein Ultimatum: „Entweder du gehst zur Suchtberatung oder packst deine Koffer.“ Friederike K. (Name von der Redaktion geändert) musste sich entscheiden: In der Hölle der Alkoholsucht unterzugehen oder zu versuchen, ein neues Leben zu beginnen. „Ich habe damals genau gespürt, dass ich in ein paar Monaten tot bin, wenn ich nichts ändere“, erzählt Friederike K.

Ihre Schwester hatte ihr vor Jahren bereits eine kleine Karte zugesteckt mit einer Telefonnummer und einem Ansprechpartner mit dem Namen Karl. Er gehörte zu den Anonymen Alkoholikern (AA) und lud sie ein, vorbeizukommen. Damals fanden die Treffen in der Nähe der Versöhnungskirche an der Burger Straße statt. Als sie den total verqualmten Raum mit Herzklopfen betrat, sagte eine Stimme zu ihr: „Es ist gut, dass du da bist.“ Friederike K. dachte: „Was soll denn daran gut sein?“

Dieses Erlebnis liegt viele Jahre zurück. Aber Friederike K. kann sich an fast jedes Detail erinnern. Und wenn sie ihre Suchtgeschichte erzählt, merkt man, dass sie sie nicht zum ersten Mal erzählt. Das Sprechen über die Krankheit ist ein wichtiges Mittel zur Heilung.

1983 nahm sie zum ersten Mal an einer Sitzung der Anonymen Alkoholiker teil. Dort nennen sich alle beim Vornamen. Es wird nicht diskutiert. Es werden keine Ratschläge erteilt. Im Zentrum stehen die Erzählungen über das Leben mit der Sucht.

„Der 11. Januar 1984 ist mein zweiter Geburtstag“, sagt Friederice K. Es war der erste Tag, an dem sie keinen Alkohol mehr getrunken hat. Das ist bis heute so geblieben. Friederike K. ist 75 Jahre alt. 15 Jahre gehörte sie zu den sogenannten Spiegeltrinkerinnen. Sie brauchte immer einen Pegel, um als Hausfrau und Mutter zu funktionieren. Mit den Jahren verlangte ihr Körper und ihre Psyche immer mehr Stoff, um mit den Anforderungen des Alltags klar zukommen. Bis auch diese Struktur zusammenbrach und kein Lügen und Verdrängen mehr half.

Die Anonymen Alkoholiker gibt es seit 50 Jahren in Remscheid. Am 2. Dezember 1969 hielten drei Wuppertaler AA-Freunde das erste Meeting in der Werkzeugstadt ab. Seitdem schöpfen viele teilnehmende Alkoholiker immer wieder Kraft und Hoffnung aus den Treffen, um ihr gemeinsames Problem zu lösen: trocken zu bleiben, ein Leben lang. „Es ist keine Schande, Alkoholiker zu sein“, sagt Friederike K. Aber es sei eine Schande, nichts gegen die Krankheit zu tun. Für die AAs gibt es keine hoffnungslosen Fälle. Jeder kann es schaffen. Ein Aufenthalt in einem Suchtkrankenhaus in der Eifel und das Treffen in der AA-Gruppe haben Friederike K. geholfen, wieder Fuß zu fassen. Ihr Lebensmotto: „Ich werde alles dafür tun, nicht mehr trinken zu müssen.“

Sie sei nicht stolz darauf, von der Flasche los gekommen zu sein. Sie sei dankbar dafür, denn ohne Hilfe hätte sie es nie geschafft. Daher geht sie auch 35 Jahre nach ihrem letzten Glas Alkohol noch jede Woche zu den AAs und feiert zweimal im Jahr Geburtstag.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort