Ratingen Willkommen im Herrenhaus
Düsseldorf · Wenn das die Brügelmanns wüssten: Nach einjähriger Sanierungsphase lädt das sanierte Herrenhaus Cromford ab Samstag zu einem ausgedehnten Spaziergang durch das häusliche Leben der Ratinger Textilunternehmer ein.
Man staunt nicht schlecht darüber, wie es vor 220 Jahren bei den Brügelmanns der ersten drei Generationen daheim mutmaßlich ausgehen hat. Kommoden, Sekretäre, Recamiere, Hammerklavier, Spieltisch, Karaffe und Süßweinglas spiegeln prallen bürgerlichen Wohlstand. Die nächtliche Lagerstätte aber, ein Empire-Doppelbett, das kaum breiter ist als einen Meter, gibt zu denken: Schliefen die Brügelmanns etwa im Schichtbetrieb? War einer von ihnen dauerhaft ausquartiert?
Es ist zwar nicht jedes, schon gar nicht jedes delikate Detail aus dem Alltag der Unternehmerfamilie überliefert, doch gibt es wahrlich genug Stoff, um eine sehenswerte Ausstellung daraus zu weben – so viel steht fest, nachdem das Herrenhaus Cromford innerhalb eines Jahres vom Landschaftsverband Rheinland (LVR) für 940 000 Euro einmal komplett durchsaniert worden und ab heute wieder für jedermann zugänglich ist.
Die Schau ist von einstmals vier auf nunmehr 14 Räume angewachsen, die allesamt ihrer häuslichen Funktion entsprechend eingerichtet wurden. Das Mobiliar für Speisezimmer, Schlafzimmer, Kabinett, Kontor, Salon und Gesindestuben entstammt zum einen dem Originalfundus des Hauses, zum anderen dem privaten Besitz Brügelmannscher Nachfahren – Schenkungen zumeist, über die man in Ratingen sehr glücklich ist. Außerdem komplettieren Leihgaben aus anderen Häusern des Landschaftsverbands die Präsentation, erzählt Museumsleiterin Claudia Gottfried.
Es geht allerdings nicht bloß darum, die Entfaltung bürgerlicher Pracht anhand von schellackpolierten Originalmöbeln aus Spätbarock, Empire und Biedermeier zu bestaunen. Jeder Raum, erzählt Claudia Gottfried, rückt eine Person der Familie Brügelmann mit ihren Eigenheiten in den Mittelpunkt. Die dazugehörige Geschichte lassen Besucher sich am besten von einem kleinen handlichen Museumsführer, auch Audioguide genannt, erzählen. Schauspieler haben die kleinen Hörspiele eingesprochen, die auf authentischen Zitaten beruhen. Jeweils eines davon ziert auch die jeweilige Zimmerwand. So ist im Speisezimmer, das der pragmatischen Fabrikantengattin Sophie Brügelmann gewidmet ist, zu lesen, dass man momentan zwar genug Bohnen habe, aber wenig Obst, weshalb der Gatte gebeten wird, von unterwegs doch ein paar "Epfel" mitzubringen. Merke: Die Herrin des Hauses erging sich nicht in Müßiggang, während in der Fabrik nebenan die Webstühle krachten, sondern wirtschaftete mit auf dem Boden der Tatsachen.
Apropos: Der Boden des Hauses wurde nicht etwa erneuert, sondern in seiner historischen Gestalt freigelegt und aufgearbeitet, informierten gestern die Bauherren des LVR. Den historischen Türen und den Wänden mit ihren Malereien sieht man nicht an, dass sie mit modernem Brandschutz versehen wurden.
Manches Fundstück der Sanierungsphase wie beispielsweise Tapetenfragmente am Mauerwerk lagert jetzt in einer Vitrine. Damit wird dokumentiert, dass die teils recht vitale Farbigkeit der Museumsräume nicht das Werk eines überambitionierten Malermeisters unserer Tage ist, sondern durchaus dem Geschmack der Brügelmanns entsprach.