Ratingen Wie führt man eine Familie?

Düsseldorf · Immer mehr Mütter und Väter suchen die Familienberatungsstellen auf. Im Mittelpunkt stehen praktische Fragen aber auch die Suche nach finanziellen Hilfen. SkF und SKFM helfen weiter.

Ursula Gruse sitzt morgens in ihrem Büro in der Talstraße. Eine Blume steht auf einem runden Tisch. Gruse ist eine von vier Beraterinnen der "esperanza"-Beratungsstelle Kreis Mettmann. Insgesamt 23 solcher Stellen gibt es im Wirkungsgebiet des Diözesan-Caritasverbands des Erzbistums Kölns. Ursula Gruse wartet auf eine junge Frau.

7923 werdende Mütter und 385 Väter besuchten im vergangenen Jahr eine solche Sprechstunde. Das sind 300 mehr als im Jahr 2007. Sie waren verunsichert, wie man eine Familie führt. "Da wir keine Großfamilien mehr haben, fehlt manchem jungen Paar der Zugang zum Nachwuchs", fasst Ursula Gruse ihre Alltagserfahrungen zusammen. Ratlos waren viele aber auch, wie sie die große Veränderung in ihrem Leben finanziell stemmen sollen. Ganze 900 Anträge schrieben die "esperanza"-Berater im vergangenen Jahr zusätzlich zum Pensum des Vorjahres. 3426 davon wurden von der Bundesstiftung Mutter und Kind bewilligt, 1265 schöpften aus dem Sonderfonds des Kölner Erzbischofs.

Der Sonderfonds der Kirche finanziert dort, wo eine Hilfe durch den Staat nicht infrage kommt. "Die Kriterien des Staates sind sehr eng. Da kann es schon mal sein, dass es bei Hilfesuchenden nicht zur finanziellen Beihilfe kommt, sie materiell aber trotzdem nicht über die Runden kommen", sagt Johannes Bernhauser, Leiter des Bereichs Kinder, Jugend und Familie im Diözesan-Caritasverband des Erzbistums. "Natürlich müssen Antragsteller auch uns ihre Situation glaubhaft machen. Nur die bürokratischen Hürden sind bei uns nicht so hoch. Und wir hören uns die ganze Geschichte an. Daraus leiten wir mehr ab als Sachleistungen. Besonders ist bei uns auch: Die Menschen können wieder kommen. Barmherzigkeit steht da schon an erster Stelle", bekennt Bernhauser.

Fast noch wichtiger als die materiellen Kurzzeithilfen ist also das nachhaltige Konzept, das Berater in Gesprächen gemeinsam mit den Menschen anfertigen. Am runden Tisch von Ursula Gruse sitzt an einem Morgen eine Frau, an einem anderen ein Paar oder ganze Familien. Aus ihrer individuellen, oft komplexen Geschichte entwirft die Beraterin einen Hilfs-Leitfaden, der auf die Familien zugeschnitten ist. "Wir schreiben zusammen Anträge, organisieren Sachleistungen, vermitteln eine Wohnung. Oder wir lotsen in Einzel-, Paar- und Familientherapie-Stunden. Verweisen, wenn nötig, weiter." Der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) Ratingen ist solch eine Adresse, an die weiter verwiesen wird. Bereichsleiterin für Hilfen für Familien, Beatrix Optenhövel, berichtet von einem ihrer besonderen Erfolge, dem Wohnhaus für Mütter und Kinder. "Mütter und Kinder finden hier für ein Jahr oder auch länger eine eigene Wohnung und Unterstützung für das Leben mit Kind." Zusammen durchlaufen sie Alltägliches: den Haushalt organisieren, lernen, mit dem Haushaltsgeld zurecht zu kommen, das Kind versorgen.

Gespannt schauen die jungen Mütter auch Videos, die die Betreuerinnen von ihnen und dem Kind aufgenommen haben. Optenhövel: "Durch Videosequenzen lernen die Frauen, wie das Kind etwa Freude oder Müdigkeit zeigt und wie sie durch ihr Verhalten ihr Kind beruhigen oder auch anregen können. All das knüpft an Fähigkeiten an, die die Frau selbst hat."

Weitere Angebote des SkF helfen bei Unsicherheiten in den ersten Jahren. Alleinerziehenden-Beratung, die Frühe Hilfen-Babysprechstunde ("Schreit das Kind zu viel? Was hat es? Was mache ich, wenn ich ausgelaugt bin?") oder die Regelmäßigkeit des Müttercafés.

(RP)
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