Postskriptum Die Woche In Der Stadt Wenn die Politik mal vor einer vollen Tribüne tagt

Ratingen · Streit um Eigeninteressen ist normaler, wenn Bürger und Bürokraten, Wähler und Politiker diskutieren. Wenn der Stil stimmt. Ein Beispiel aus Heiligenhaus.

Je größer die Betroffenheit, desto voller die Tribüne im Ratssaal. Das war in jüngster Zeit in Heiligenhaus des Öfteren zu beobachten. Während sich in Ratingen der Besucherandrang traditionell in Grenzen hält. Ein volles Haus ist Politikern und Verwaltung allenfalls dann sicher, wenn es um den Erhalt oder Nicht-Erhalt von Schulen geht. Das hat das Beispiel der Lintorfer Realschule gezeigt. Interessant ist in Sachen Bürgerinteressen allemal die Reaktion aus der Politik.

Die mit Abstand erstaunlichste kam unlängst vom Heiligenhauser Grünen-Ratsmitglied (und Ex-Bürgermeisterkandidaten) Lothar Nuthmann. In der Diskussion um die Sporthalle am Sportfeld in Heiligenhaus ging es hoch her. Sie soll Teil der Erstunterkunft des Landes für Flüchtlinge werden. Die betroffenen Sportler fühlten sich überfahren. Folge: Auf der Tribüne reichten während der ersten Ausschuss-Diskussion zum Thema die Sitzplätze nicht. Nuthmanns Auslegung: Man erlebe es binnen kurzem nun schon zum dritten Mal, dass sich die Bürger zum Mithören oder Mitdiskutieren ins Rathaus geradezu drängeln.

Das sei eine Folge mieser Kommunikation zwischen Verwaltung(sspitze) und Bürgern. Mit anderen Worten: Wenn Bürger sich intensiv mit ihren Anliegen befassen, auch in öffentlicher Versammlung, ist das eine Folge irgendeines Defizits ihrer Gesprächspartner auf "offizieller" Seite. Was daraus folgt? Vielleicht das: Kämen gleich die richtigen Ansagen aus dem Rathaus, könnten die Bürger zu Hause bleiben und damit ihrer ersten Pflicht nachkommen: Ruhe geben. Was für ein kümmerliches Verständnis von Debattenkultur.

Völlig unabhängig davon, ob eine Verwaltung bei jedem Thema Vermittlungsgeschick an den Tag legt (was im Fall der Sporthalle wirklich niemand behauptet hat), ist es das gute Recht aller, sich einzumischen. Und kein Bürgermeister wird im Ernst mit Beifallsstürmen rechnen, wenn Unpopuläres zur Entscheidung ansteht. Was aber nicht heißt, dass es sein Fehler ist, wenn Bürger kommen - und sei es für vernehmlichen Protest. Auf eine solche Idee muss man erstmal verfallen.

Statt alarmierte Bürger gegen die Verwaltung in Stellung zu bringen, Fronten aufzubauen, wäre gemeinsam getragener Pragmatismus angezeigt gewesen. Aber das bleibt ein frommer Wunsch, so lange der Ärger groß und die Tribüne voll ist.

(RP)
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