Portrait „Ich will in Deutschland etwas erreichen“

Die junge Jesidin Hindrin Badel Ibrahim hat in Ratingen Fuß gefasst und baut sich nun eine Zukunft auf.

 Hindrin Badel Ibrahim erzählt der RP von der Flucht und ihrem neuen Leben in Deutschland.

Hindrin Badel Ibrahim erzählt der RP von der Flucht und ihrem neuen Leben in Deutschland.

Foto: Blazy, Achim (abz)

Es ist eine der Geschichten, die Mut macht angesichts der weltweiten Krisen wie der Coronavirus-Krise oder der anhaltenden Flüchtlingskrise. Es ist die bisherige Lebensgeschichte der 19 Jahre alte Hindrin Badel Ibrahim. Die junge Irakerin gehört zu der ethnisch-religiösen Minderheit der Jesiden.

Aber der Reihe nach: Keine Gruppe hat so unter dem IS-Terror gelitten wie die Jesiden. Die Kämpfer der Terrormiliz fielen Anfang August 2014 im Norden des Iraks, da wo eigentlich Hindrin zu Hause ist, ein, um die jesidische Minderheit auszulöschen. Der IS sah in ihnen „Teufelsanbeter“ und „Ungläubige“. Die Jesiden halten ihre Religion indes für die älteste der Welt. Sie glauben an einen Gott, aber sie verehren auch Engel. Anders als Muslime, Christen oder Juden besitzen die Jesiden keine Heilige Schrift, sondern geben ihr religiöses Wissen mündlich weiter.

Der Einfall des IS und ihre darauffolgende Flucht nach Westeuropa ist der jungen Frau, die seit mehr als zwei Jahren nun in Ratingen lebt, noch sehr präsent. „Im Nachbardorf sagten sie uns, dass der IS nur unser Geld nimmt“, sagt Hindrin.

Tatsächlich folgten Massenmord an den Männern, Verschleppung und Versklavung der Frauen und Kinder, die Flucht Zehntausender Menschen und der Beginn des internationalen Kampfes gegen den selbsternannten „Islamischen Staat“ im Irak und Syrien.

Man merkt, dass ihre  Vergangenheit die Neu-Ratingerin verständlicherweise sehr belastet, sie wirkt schüchtern, ihre Stimme ist leise.

Dennoch: Hindrin weiß, was sie will. „Ich will in Deutschland etwas erreichen.“ Zahnmedizinerin zu werden schwebt ihr vor. Dass der Weg dahin steinig und schwer ist, weiß die junge Jesidin, die mit ihrer Familie über die „Balkan-Route“ schließlich vor knapp vier Jahren in der Bundesrepublik ankam. Der Schlüssel für den Erfolg in Deutschland ist die Sprache, weiß sie. „Ich muss erst weiter Deutsch lernen, um mein Ziel zu erreichen.“  Erstaunlich ist aber, wie gut Hindrin schon unsere Sprache spricht. „Das kommt vom Lesen“, sagt sie, die aktuell dabei ist, wie sie sagt, ihr eigenes Buch, „über ihr bisheriges Leben“, zu schreiben. „Mit dem Herzen und Gedanken sind wir Jesiden immer in der Heimat.“  Täglich hat sie noch Kontakt in ihre nordirakische Heimat Sindschar, ihre Verwandten leben noch dort. Sie wollen die Stellung halten, ihre Heimat nicht aufgeben, so wie es viele  Tausende Jesidien tun mussten. „Derzeit kämpfen die Menschen dort auch gegen das Coronavirus“, sagt Hindrin. „Schulen und Geschäfte sind, bevor es in Deutschland der Fall war, bereits geschlossen worden.“

Zurück zu der ehrgeizigen Hindrin aus Ratingen-West, die in ihrer Freizeit gerne Sport macht und Klavier spielt. Um ihr berufliches Ziel zu realisieren, braucht sie Abitur. Das wird sie auf dem Adam-Josef-Cüppers-Berufskolleg voraussichtlich ablegen. Dass sie  auf einem guten Weg ist, beweist der Blick in ihr vergangenes Zeugnis. Ihre Noten sind durchweg gut bis sehr gut – auch in Deutsch. „Ich lerne jeden Tag Grammatik, ich muss noch besser werden.“

Höflichkeit und Respekt sind ganz zentrale Werte im Jesidentum, das auch einige Elemente aus dem Islam und Christentum im Laufe der Jahrhunderte in den Glauben aufgenommen haben soll.

Die höfliche Hindrin weiß jedenfalls, was sich gehört und möchte sich bedanken. „Ich habe auch in der Stadt Ratingen viel Unterstützung erfahren, dafür möchte ich sehr danken.“

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