Ratingen Von der Freude, eine Ministrantin zu sein

Ratingen · Sich in der Kirche zu engagieren, ist für viele Jugendliche heute uncool. Ein persönlicher Erfahrungsbericht.

 Seit 2002 ist Esther Siebers Ministrantin. Für den Dienst am Altar gelten Kleiderregeln.

Seit 2002 ist Esther Siebers Ministrantin. Für den Dienst am Altar gelten Kleiderregeln.

Foto: Blazy, Achim (abz)

Warum ein Kind heute Ministrant wird, oder wie in meinem Fall, Ministrantin, ist aus heutiger Sicht wohl nicht immer ganz leicht nachvollziehbar.

Mein Vater erzählt immer, dass er Messdiener wurde, weil das für einen Jungen aus christlichem Hause Pflicht war. Natürlich hatte er Spaß, doch die Regeln waren strenger und Mädchen im Gewand konnte sich auch noch keiner vorstellen. Das kam erst Mitte der 70er-Jahre.

Heute sind mehr als die Hälfte aller Ministranten weiblich. Ich, Jahrgang 1992, gehöre seit 2002 dazu.

 Bei Ausflügen und Wallfahrten ist natürlich Zivilkleidung angesagt.

Bei Ausflügen und Wallfahrten ist natürlich Zivilkleidung angesagt.

Foto: Achim Blazy

Durch mein ebenfalls christlich geprägtes Elternhaus und das Aufwachsen in der Gemeinde St. Peter und Paul war meine Entscheidung, Messdienern zu werden, für mich selbstverständlich. Doch anders als bei meinem Vater hatte ich, keine elterliche Erwartungshaltung zu erfüllen.

Mir gefiel, was ich in der Messe sah: Tolle Gewänder, eine besondere Festlichkeit und die stille Kommunikation zwischen den Ministranten und dem Priester.

Meine Freundin Stefanie Schäper (21), ebenfalls Messdienerin an St. Peter und Paul beschreibt ihren inneren Antrieb so: "Ich bin Messdienerin geworden, weil mein Bruder einer war und ich dadurch ermutigt wurde. Auch hat mich meine Mutter schon früh mit in die Messe genommen und als ich später lesen konnte, habe ich immer die Gebete im Gebetsbuch gelesen, ehrlich wahr."

Die ersten paar Male, als ich selbst am Altar stand, waren aufregend. Messdienerin zu sein war mehr als das, was der Messbesucher sah. Das merkte ich schnell.

Verlässlichkeit, Pünktlichkeit und ein gewisses Maß an Selbstbewusstsein waren ebenso notwendig. Manchmal half es, sich vorzustellen, dass das Gewand eine sichere Hülle darstellt, die einen vor allem bewahrt. Fehler passierten natürlich trotzdem und passieren auch heute noch. Mit der Zeit lernt man aber, damit souverän umzugehen. Auch eine Sache, die mir in anderen Lebenssituationen half. Zu wissen, dass man aus einem Fehler lernen konnte, gab mir Mut, Entscheidungen auch selbstständig treffen zu können.

Die älteren Messdiener halfen uns Jüngeren sehr, da sie uns mit Spaß bei der Sache hielten und wir auch außerhalb von Kirche und Sakristei viel miteinander unternahmen. Dadurch wurden wir eine Gemeinschaft und fanden Freunde, die dasselbe Hobby mit uns teilten. Die Gemeinschaft war ein tolles Erlebnis und ist es bis heute.

Als ich älter wurde, wollte ich den neuen Messdienern ebenso zur Seite stehen, wie es die Älteren bei mir getan hatten. Stefanie nennt das Vorbild sein: "Ich habe Spaß daran, die Kinder zu begeistern und mit ihnen den Glauben weiterzutragen, um dann auch Vorbild für die Messbesucher zu sein."

Mit den anderen Oberministranten zusammen - Stefanie ist auch dabei - leite ich die Messdienerausbildung und mache mit den Kindern viele Ausflüge und Wallfahrten.

Dass der Dienst am Altar für das Leben vorbereitet, habe ich in vielen Alltagssituationen gemerkt: Ich bin grundsätzlich aufgeschlossen, kommunikativ und helfe gern. Außerdem engagiere ich mich weiterhin für die Kirche. Mir gibt das ein Gefühl, dass ich mit meiner Arbeit der Gemeinschaft, die mich bis jetzt immer unterstützt hat, etwas zurückgeben kann.

Zusammen mit den anderen Jugendlichen und Kindern zeige ich, dass Kirche nicht nur konservativ und rückwärtsgewandt ist, wie so oft dargestellt, sondern, dass sie durch uns lebendig, jung und auch cool ist.

Ich kann mir nicht vorstellen, keine Ministrantin zu sein. In meiner Tätigkeit als Firmkatechetin hatte ich aber auch mit Jugendlichen Kontakt, die keine sind oder waren. Die Gründe dafür sind genauso vielschichtig, wie die Jugendlichen selbst.

Man muss nicht Messdiener werden. Es ist eine der ersten Entscheidungen im Leben eines jungen Christen, die man selbst treffen kann. Vielleicht ein erster Schritt in die so oft von der Gesellschaft propagierte Selbstständigkeit. Der Glauben kann also mitten im Leben sein.

Kirche ist mehr als die Institution. Für mich ist sie ein Zuhause. Sie gibt mir Freunde, eine Gemeinschaft und einen Glauben, an dem ich festhalten kann. Trotz aller Schwierigkeiten, denen wir uns als katholische Christen stellen müssen.

Das Wichtigste, was ich gelernt habe in all den Jahren, die es nun schon sind: Eine Verpflichtung und ein Dienst bedeuten ebenso Spaß und Freude.

Für meine Zukunft heißt das: Ein Beruf kann zur Berufung werden.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort