Ratingen Vom Monopolisten geschröpft?

Düsseldorf · Interview mit Dr. Michael Beyer, Initiative Nachtstrom mit Augenmaß (INA) Ratingen: „Stadtwerke nutzen ihre Vormachtstellung bei Gas und Nachtstrom aus.“

Das Gutachten in Sachen Nachtspeicherstrompreise, das von den Stadtwerken in Auftrag gegeben wurde, scheint nach dem, was bislang bekannt geworden ist, die Geschäftspolitik des Unternehmens zu stützen. Was sagen Sie als Betroffener dazu?

Dr. Michael Beyer Das Gutachten wurde in Auftrag gegeben, weil die politisch Verantwortlichen und die Aufsichtsräte die Sachlage nicht richtig einschätzen konnten. Dies soll das Gutachten lösen, so der Bürgermeister in einem Brief an uns. Wen wundert es da, dass das Gutachten genau das bestätigt, was der Auftraggeber des Gutachtens, nämlich die Stadtwerke, durchsetzen wollen. Insofern sind die derzeitigen Berichte über das Gutachten für uns keine Überraschung.

Nach Angaben der Stadtwerke gibt es in Ratingen im Vergleich zu anderen Städten die günstigsten Preise. Welche Preispolitik müsste Ihrer Meinung nach betrieben werden, um die etwa 3800 Nachtspeicherkunden auch in Zukunft zufrieden zu stellen?

Beyer Wir halten viel von einer Preispolitik mit Augenmaß. Auch eine Geschäftspolitik mit Preiserhöhungen ist für uns akzeptabel, wenn sie nachvollziehbar begründet und gerechtfertigt sind. Aber gerade daran mangelt es. Die Stadtwerke sind ausschließlich auf eine Geschäftspolitik der Gewinnmaximierung ausgerichtet und realisieren dies gerade in den Geschäftsfeldern mit einer marktbeherrschenden Stellung wie bei Nachtstrom und Gas. Wir Stadtwerke-Kunden können den Nachtstrom nirgendwo anders kaufen. So lässt sich leicht Geld machen.

Sollen die Stadtwerke denn keine Geschäfte machen dürfen?

Beyer Doch, aber Geschäfte machen im Sinne der Bürger heißt, aktiv günstige Einkaufsquellen für Strom und Gas zu erschließen, und damit günstige Preise in allen Energiesparten zu bieten. Heißt, Verträge nicht einfach einseitig zur Durchsetzung von schlechteren Neuverträgen zu kündigen, heißt, nicht den Nachtstrom auszugrenzen und heißt, den Gewinn auf wenige Prozent zu begrenzen und auf überzogene Gewinnansprüche zu verzichten. Das erwarten wir auch von unseren Politikern, die Aufsicht über die Stadtwerke führen.

Die Stadtwerke verweisen immer wieder darauf, dass die Nachtspeicherkunden bislang hohe Preisvorteile gegenüber anderen Energiearten genossen hätten. Sehen Sie das genauso?

Beyer Langfristig stimmt das so nicht. So haben Nachtstrom-Kunden über viele Jahre deutlich höhere Kosten gegenüber Ölheizungen auf sich genommen. Der Preis für Nachtstrom muss der Billigkeit entsprechen, so die Gesetzeslage. Billigkeit der Preise heißt, dass die Aufwendungen und ein kleiner Gewinn bei der Preisfindung zulässig sind. Geprüft wird die Kalkulation vom Gericht und nicht von einem Stadtwerke-Gutachter. Viele Häuslebauer und Wohnungseigentümer in ganz Ratingen hatten keine andere Wahl, als mit Strom zu heizen, weil Schornsteine politisch unerwünscht waren.

Was würde eine Umrüstung, zum Beispiel auf Öl oder Erdgas, kosten?

Beyer Eine einfache Umstellung ist in den allermeisten Fällen gar nicht möglich, fehlen doch nicht nur ein Schornstein, sondern auch die Heizkörper und Rohrleitungen, vom Platz für Heizungsanlage bzw. Öltanks ganz zu schweigen. Ich schätze die Kosten für die notwendige Umrüstung auf ca. 20 000 bis 50 000 Euro für ein Einfamilienhaus, wenn nicht gar mehr, insbesondere, wenn elektrische Fußbodenspeicherheizung ersetzt werden muss.

Wer sollte Ihrer Meinung nach für diese Kosten aufkommen?

Beyer Wir sollten die Kosten gar nicht erst anfallen lassen. Das geht dann, wenn die Stadtwerke ihre Geschäftspolitik entsprechend ändern und sich selbst auch zur günstigen Lieferung von Nachtstrom verpflichtet sehen, statt uns als gefangenen Kunden aus ihrer Monopolstellung heraus zu schröpfen.

Wie werden Sie auf das Gutachten reagrieren?

Beyer Wir sind gut vorbereitet und werden die Inhalte in Ruhe prüfen. Unsere Argumente und Forderungen sind seit Monaten bekannt und durch die laufende Rechtssprechung bestätigt. Dazu arbeiten wir eng mit erfahrenen Juristen und auch den Vertretern des Bundes der Energieverbraucher und der Ortsarbeitsgemeinschaft der Verbraucherzentrale NRW zusammen.

Welchen Tipp haben Sie für die Betroffenen?

Beyer Mein Rat ist es, weiter Widerstand zu leisten. Die Stadtwerke sind zur Lieferung verpflichtet, sie können niemandem den Strom abstellen. Allerdings sollten alle Betroffenen weiter pünktlich die bisherigen Abschläge für Nachtstrom zahlen und die aktuelle Erhöhung der Steuern (Mehrwertsteuer, Stromsteuer), die den Stadtwerken gesetzlich zusteht, ausrechnen und mit überweisen.

Das Gespräch führte Joachim Preuß.

(RP)
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