Ratingen Vereine bringen wieder Leben in alte Türme

Ratingen · Ein Blick in die Geschichte der beiden ehemaligen Wehrtürme, um die sich die Jonges und die Narren kümmern: der Dicke Turm und der Kornsturm. Und dann ist da ja auch noch der Trinsenturm, in dem ein Museum eröffnen soll – seit fast einem Jahr.

 Links: Der Dicke Turm an der Turmstraße wurde von den Jonges – hier bei einem Fest –, der Stadt, der NRW-Kulturstiftung und dem Denkmalschutz auf Vordermann gebracht.

Links: Der Dicke Turm an der Turmstraße wurde von den Jonges – hier bei einem Fest –, der Stadt, der NRW-Kulturstiftung und dem Denkmalschutz auf Vordermann gebracht.

Foto: Blazy, Achim (abz)

San Francisco hat seine Brücke mit dem Namen Golden Gate, und Ratingen hatte mal eine Goldene Gatte, nämlich die Goldene Gasse, die heute ungleich simpler Brunostraße heißt. Die ganze Ecke nahe dem Zentrum aber kündet in den Geschichtsbüchern von Glanz und Reichtum. Der Graben vor dem Kornsturm heißt Goldener Wall oder Goldene Kull. Und eine "goldene Pforte" ist noch im Jahr 1467 als neben dem Turm befindlich erwähnt. Es kann sein, dass sich in diesem Quartier die Goldschmiede angesiedelt hatten, es kann aber auch sein, dass sich in diesem Winkel die Ratinger Münze befunden hat. Beides ist nicht schlüssig belegt, wenngleich die Namen schon eindeutige Hinweise geben.

Am Samstag, 13. September 1988, haben die Roten Funken den Kornsturm an der Wallstraße übernommen, der seit 2002 fertig restauriert ist, seit 2005 das einzige Karnevalsmuseum der Stadt beherbergt und den Funken auch als Hauptquartier dient. Zuvor war das Gemäuer, 13 Meter hoch und mit 1,70 Meter dicken Mauern, in eher schlechtem Zustand, ziemlich wild vollgemüllt (es sollen 37 Kubikmeter gewesen sein) und keine Zierde. Immerhin hatte es einen Namen, der sich von dem einer nahe wohnenden Familie – Korn – ableitete.

Der Turm gehört nach wie vor der Stadt, doch die Roten Funken haben die Mischung aus Rumpelkammer und Müllhalde seinerzeit in Eigenleistung bereinigt. Es wurde dabei allerdings nur zeitgenössischer Müll gefunden. Nun hängen an den Wänden Orden, Fotos, Kopien alter Urkunden.

Beim Innenraum machte man sich ausgesprochen pfiffige Gedanken: So befindet sich unter dem runden Tisch im unteren Geschoss die Treppe zu einer Toilette, die wiederum an schräge Wand- und Deckenflächen angepasst ist. Wer sie aufsuchen will, muss zunächst mit der Zustimmung der Runde – 14 Personen können auf Stühlen Platz nehmen – die Tischplatte nach oben befördern lassen und dann ins Untergeschoss absteigen. Er kann aber nur dann wieder nach oben, wenn die Platte auch hochgestellt ist. Seitdem der neue hölzerne Wehrgang installiert ist, den Rot Wiss anstelle des verrotteten angebaut hatten, konnten sie auch die Schießscharten im Obergeschoss wieder erreichen. Doch nicht nur heute, sondern schon bei der Errichtung des Turms im 15. Jahrhundert war die Waffentechnik so weit fortgeschritten, dass sie nicht mehr zur Verteidigung gebraucht wurden.

Der Dicke Turm an der Turmstraße ist ebenfalls ein Wahrzeichen, und ein weitaus auffälligeres dazu. Nachdem die Ratinger Jonges, die Stadt, die NRW-Kulturstiftung und der Denkmalschutz sich der Zukunft des Bauwerkes und seiner fast 600-jährigen Geschichte angenommen hatten, steht auch er den Bürgern für einen Rundgang offen. Der im Jahre 1439 erbaute Turm, der eine Höhe von 13 Metern und 3,50 Meter dicke Mauern aufweist, prägte mit drei weiteren Türmen und der Stadtmauer lange Zeit das Stadtbild. Kaum zu glauben, dass ihn 1901 der damalige Bürgermeister Peter Jansen abzureißen lassen wollte. Was der Landrat des Landkreises Düsseldorf glücklicherweise ablehnte. So wurde 1982 der erste Versuch einer Sanierung durch die Stadt gestartet. Aber erst 2003 wagte man sich an die Totalrestaurierung, die Jonges nahmen sich dieser Aufgabe an. Nach anderthalb Jahren war alles gestemmt, hatten 192 500 Euro, Bürgersinn und Initiative aus einer Art hohlem Riesenzahn eine historisch-städtebauliche Attraktion gemacht.

Im Trinsenturm am Wehrgang ist der Verein der Ratinger Puppen- und Spielzeugfreunde derzeit damit beschäftigt, in Abstimmung mit dem Kulturamt und dem nahen Museum Ratingen ein Museum für Spielzeug einzurichten. Eröffnet werden sollte es schon vor einem Jahr, doch arbeiten die Aktiven ehrenamtlich und kommen nur langsam voran. Der Turm hat eine lange Geschichte als enger und winkeliger, aber charmanter Ausstellungsort – weshalb freie Künstler aus der Region 2012 gegen die Nutzungsänderung protestierten. Ohne Erfolg.

(gaha)
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