Massenunfall A3 bei Ratingen Das ist der Unterschied zwischen Gaffern und Pressefotografen

Ratingen/Düsseldorf · RP-Fotograf Christoph Reichwein war am Donnerstag über mehrere Stunden an der Unfallstelle auf der A3 in der Nähe des Kreuz Breitscheid. Er beobachtete mehrere Gaffer auf der Gegenspur und erklärt, warum es etwas anderes ist, wenn er Fotos von einem Unfall macht.

Unfall auf A3 bei Ratingen: Bilder vom Massenunfall im November 2017
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Tödlicher Unfall auf der A3 bei Ratingen

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Foto: CHRISTOPH REICHWEIN

Nach dem schweren Unfall mit zwei Toten am Donnerstag au der A3 haben wir auf RP ONLINE Fotos von der Unfallstelle veröffentlicht. Auf Facebook gab es daraufhin eine Diskussion, warum wir diese Bilder zeigen und ob unser Fotograf sich nicht ähnlich verhält wie ein Gaffer, wenn er an einer Unfallstelle fotografiert. RP-Fotograf Christoph Reichwein erklärt im Interview, warum das nicht so ist.

Christoph, wann kamst du zur Unfallstelle auf der A3 bei Ratingen?

Christoph Reichwein Ich war etwa eine Stunde, nachdem der Unfall passiert war, dort. Da war die Feuerwehr dabei, die Verletzten zu bergen. Der 26-Jährige, der abends im Krankenhaus starb, wurde gerade mit dem Hubschrauber abtransportiert. Später habe ich erfahren, dass seine Freundin ein Kind erwartet.

Wie sah die Unfallstelle aus?

Reichwein Ich habe noch nie so ein Schadensbild gesehen. Dort war ein riesiges Trümmerfeld. Als ich dort ankam, musste ich erst einmal innehalten, und mich umsehen. Ich war einfach sprachlos. Ein Auto war von einem Lkw-Anhänger aufgespießt worden, das hing noch in der Luft. Darin war ein Toter. Bei keinem der Auto konnte man noch Modell oder Fabrikat erkennen. Ein solches Ausmaß der Zerstörung habe ich selbst bei anderen tödlichen Unfällen noch nie gesehen. Drei der fünf Fahrzeuge sahen aus, als seien sie von einer Schrottpresse zerdrückt worden. Ich dachte, es ist ein Wunder, dass es nicht mehr Tote gegeben hat. Später starb dann ja noch der junge Mann im Krankenhaus.

Es gab Sichtschutzwände an der Unfallstelle. Trotzdem wurde gegafft...

Reichwein Ja, ich habe gesehen, dass mehrere Autofahrer aus dem heruntergekurbelten Fenster mit ihrem Handy Aufnahmen gemacht haben. Trotz der Sichtschutzwände. Da waren Polizisten einer Einsatzhundertschaft, die zunächst auf der Gegenfahrbahn im Stau standen und dann zur Unfallstelle kamen, um dort mit Kameras das Verhalten der Gaffer zu dokumentieren.

Viele Leute verstehen nicht, was der Unterschied zwischen einem Pressefotografen und den Gaffern ist.

Reichwein Der Unterschied ist, dass ich weiß, was ich tue. Ich mache keine Bilder von Leichen. Zum Beispiel konnte die Leiche des 34-Jährigen zunächst nicht geborgen werden. Da habe ich die Feuerwehrleute gefragt, aus welcher Perspektive ich das Auto so fotografieren kann, dass man den Toten nicht sehen kann. Ich fotografiere nichts, was in irgendeiner Art schamverletzend sein könnte. Wir pixeln die Nummernschilder und die Details, die Rückschlüsse auf Unfallbeteiligte zulassen. In der Redaktion guckt der zuständige Redakteur auch nochmal über die Bilder. Ein Gaffer hält einfach drauf und postet das Material irgendwo im Netz ungefiltert. Als Journalist ist es meine Aufgabe, über Unfälle zu berichten.

Wie ist die Zusammenarbeit mit der Polizei und der Feuerwehr?

Reichwein Das ist ein Zusammenspiel. Ich habe schon oft Bilder von mir an die Polizei weitergegeben für die Ermittlungen. Die sind oft froh, dass wir Details dokumentieren. Die Einsatzkräfte können uns vertrauen, dass wir ihre Arbeit nicht behindern. Uns muss man nicht erklären, dass man Abstand zu den Fahrzeugen hält. Wenn ich mich da aufführe wie ein Verrückter, brauche ich gar nicht zum nächsten Unfall fahren. Da kann ich sicher sein, dass ich beim nächsten Mal auf 50 Meter Abstand gehalten werde. Als die Feuerwehr die Leiche des 34-Jährigen aus dem aufgespießten Auto befreit hat, haben meine Kollegen und ich alle unsere Kameras und Geräte auf dem Boden abgelegt, damit die Einsatzkräfte sicher sein konnten, dass wir keine Bilder machen. Auf diese Weise wird uns auch Respekt entgegen gebracht.

Wie gehst du damit um, wenn andere dich als Gaffer bezeichnen?

Reichwein Für mich ist das eine Beleidigung. Ich klappe sofort meinen Computer zu, wenn ich unter einem Post solche unqualifizierten Kommentare lese. Mir würde es auch nicht einfallen, im Urlaub mit dem Handy Fotos zu machen, wenn ich irgendwo an einer Unfallstelle vorbei komme. Für so ein Verhalten habe ich kein Verständnis.

Christoph Reichwein (45) arbeitet seit 2011 für die Rheinische Post als Fotograf.

(heif)
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