Ratingen Stimmen wie Opernsänger

Düsseldorf · Zum Auftakt der 18. Ratinger Bachtage brillierte der Tölzer Knabenchor in der St. Suitbertus-Kirche. Die Sänger aus München präsentierten „Die sechs Motetten Johann Sebastian Bachs“.

Es gibt immer noch weltbekannte Knabenchöre, die auf der Wunschliste für die Ratinger Bachtage stehen. Im 18. Jahr dieses beachtlichen Festivals gestaltete nun zum ersten Mal der Tölzer Knabenchor in fast opernhafter Stimmfülle den traditionellen Auftakt in der St. Suitbertus-Kirche. Der Werkkomplex, mit dem die Sänger aus München den Abend im Wesentlichen füllten, war Chormusik reinsten Wassers: „Die sechs Motetten Johann Sebastian Bachs“.

Gewählt hatte Gerhard Schmidt-Gaden, der den Tölzer Knabenchor seit seiner Gründung 1956 ununterbrochen leitet, die barocke Colla-parte-Aufführungspraxis. Obwohl sich Günter Holzhausen (Violone-Kontrabass) und Christian Brembeck (Orgelpositiv) nie in den Vordergrund spielten, war der Klangrausch in der Überakustik der nicht vollbesetzten Kirche zunächst gewöhnungsbedürftig. Erst nach und nach setzte im Gehör die Selektion der Stimmen ein. Freilich hat Bach selbst genug Diffiziles beigetragen, denn vier Motetten sind doppelchörig, das heißt achtstimmig. Und die 41 jungen Sänger schluderten nicht.

Gerhard Schmidt-Gadens Dirigat mit möglichst kleinen Gesten lenkte die Konzentration ganz auf die Musik, die nach der Fülle in „Lobe den Herrn, alle Heiden“ und dem stellenweise sehr pointierten, aber auch von eingängigen Melodien durchzogenen Werk „Fürchte dich nicht, ich bin bei dir“ in der wohl bekanntesten Motette „Jesu, meine Freude“ (BWV 227) ihren ersten Höhepunkt fand. Hier wurde in den drei verschiedenen Solistentrios erst richtig deutlich, woher der gewaltige Chorklang kommt. Fast jeder Knabe scheint das Zeug zum Opernsänger zu haben, so gut wird die Stimme gestützt, so groß wird jeder Ton.

Der zweite Teil setzte mit dem nahezu wörtlich interpretierten „Der Geist hilft unsrer Schwachheit auf“ ein. Nach freudiger Klangfülle im Halleluja banden die eindrucksvollen Rufe „Komm Jesu, komm“ die gleichnamige Motette BWV 229 zusammen. Wie viel Raffinesse Bach in seine Motetten steckte, zeigte sich noch einmal in „Singet dem Herrn ein neues Lied“. Es wurde ein aufregender, kontrastreicher Abschluss, in dem es, von kleinen Eruptionen unterbrochen, wogte, in dem Koloraturen glänzten, in dem Ruhe von filigraner Durchsichtigkeit abgelöst wurde und ein fugiertes Halleluja zum Finale brauste. Die Zuhörer applaudierten so lange, bis ein Teil als Zugabe wiederholt wurde.

Wenig Konturen hinterließ dagegen die römische Organistin Livia Mazzanti. Sie hatte das Konzert mit einer Kyrie-Folge aus der Clavierübung III von Johann Sebastian Bach eröffnet.

(RP)
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