Ratingen Stadt droht Millionen-Schaden

Düsseldorf · Der Korruptionsskandal im Hochbauamt weitet sich aus: 4,6 Millionen Euro sollen an Firmen geflossen sein – mit Hilfe fingierter Rechnungen. Der mutmaßliche Drahtzieher schweigt. Zwei Komplizen sind geständig.

Ein handfester Korruptionsskandal erschüttert das Rathaus. Der mutmaßliche Drahtzieher, ein Mitarbeiter des Hochbauamtes, schweigt zu den Vorwürfen. Er hat sich nach Angaben des Düsseldorfer Staatsanwaltes Johannes Mocken einen Anwalt genommen. Der Sachbearbeiter sitzt in Untersuchungshaft. Zwei Komplizen, der Geschäftsführer einer Sanitätsfirma in Düsseldorf und der vermeintliche Chef einer Briefkastenfirma in Dormagen, haben mittlerweile Geständnisse abgelegt. Sie befinden sich auf freiem Fuß.

Wie kam es zu diesem Skandal? Der Sachbearbeiter im Hochbauamt, ein Ingenieur und Familienvater aus Ennepetal, soll allein zwischen den Jahren 2005 und 2007 rund 1700 Rechnungen bearbeitet und dem Amtsleiter, dem stellvertretenden Amtsleiter oder einer anderen verantwortlichen Person zur Unterschrift vorgelegt haben. Ohne diese Unterschrift wäre eine Abbuchung vom städtischen Konto unmöglich gewesen. Immer wieder wurden die Rechnungen abgesegnet – ein fataler Fehler, wie sich jetzt herausstellte.

Ohne Eingangsstempel

Der Beschuldigte hatte die Rechnungen, die stets von zwei bestimmten Firmen geschickt wurden, auf rechnerische Richtigkeit überprüft und diesen Vorgang per Unterschrift bestätigt. Wie die RP erfuhr, sind teilweise innerhalb einer Woche drei Rechnungen eingegangen. Einen Eingangsstempel gab es nicht. Teilweise wiesen Aufträge für die jeweiligen Maßnahmen sogar die gleiche Rechnungsnummer auf. Dem Vernehmen nach wurden Beträge für Wartung und Unterhaltung von Geräten zum Teil doppelt angewiesen.

Offenbar fühlte sich der Beschuldigte seiner Sache sehr sicher. Der Sachbearbeiter ging dabei offensichtlich ziemlich dreist vor, denn er agierte bei den Rechnungen immer unter einer bestimmten Bemessungsgrenze. Bei einer Höhe von bis zu 5950 Euro konnte der Mann eigenverantwortlich über die Vergabe der Aufträge entscheiden. Mal ging es um eine neue Heizkreispumpe, die 895 Euro kostete, mal um Wartungsarbeiten. Staatsanwalt Mocken erklärte gestern, dass nach bisherigem Erkenntnisstand nur 30 Prozent der Rechnungen für tatsächlich ausgeführte Arbeiten beglichen wurden. Der vermeintliche Strohmann aus Dormagen soll früher in der Düsseldorfer Sanitärfirma gearbeitet haben. Man kannte sich also.

Erst bei der Kontrolle durch das städtische Rechnungsprüfungsamt waren Unregelmäßigkeiten bei Rechnungen aufgefallen. Bürgermeister Harald Birkenkamp stellte Strafanzeige gegen den Mitarbeiter wegen des Verdachtes der Untreue und der Bestechlichkeit. Der Verwaltungschef ordnete an, dass alle Rechnungen – egal in welcher Höhe – nur noch vom Baudezernenten Dr. Ulf-Roman Netzel zu unterzeichnen sind.

Zur Arbeit der Amtsleitung, die schließlich alle Rechnungen abzeichnete, meinte Birkenkamp: "Diese Unregelmäßigkeiten wie ein fehlender Eingangsstempel und die Häufigkeit der beauftragten Firmen hätten doch auffallen müssen." Der Verwaltungschef wollte jedoch niemanden "vorverurteilen". Es gehe nun darum, genau zu analysieren, welcher Schaden entstanden ist und wie zumindest ein Teil der verschwundenen Gelder gerettet werden kann.

Mehrjährige Haftstrafe?

Mocken spricht zurzeit von rund 4,6 Millionen Euro. Birkenkamp ordnete in einem Schreiben an, dass sämtliche Aufträge und Auszahlungsanordnungen für die Jahre 2005 bis 2010 geprüft werden müssen. Kernfrage: Gab es weitere unrechtmäßige Zahlungen? Zudem soll geklärt werden, ob die "Kontrollen auf Amtsleiterebene" in der Vergangenheit eingehalten wurden.

Laut Mocken erwartet den Sachbearbeiter womöglich eine mehrjährige Haftstrafe. Der Haftbefehl sei unter anderem wegen Verdunkelungsgefahr erlassen worden.

(RP)
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