Handball-Analyse Langenfelder Lehrstück für die SG Ratingen

Ratingen · Handball-Regionalligist SG Langenfeld feiert bei der SG Ratingen einen Start-Ziel-Sieg und zieht so verdient ins Finale des Verbandspokals ein. Die Gäste überraschen die Hausherren taktisch in Angriff und Abwehr, die Gastgeber machen zu viele einfache Fehler und lassen zu viel zu. Die Stimmungslage beider Trainer ist nach der Partie naturgemäß höchst unterschiedlich.

 Zwei auf einen Streich: Langenfelds Jan Schirweit (rechts)packt sich im Pokalspiel die Ratinger Filip Lazarov und Alexander Oelze (vorne).

Zwei auf einen Streich: Langenfelds Jan Schirweit (rechts)packt sich im Pokalspiel die Ratinger Filip Lazarov und Alexander Oelze (vorne).

Foto: Blazy, Achim (abz)

Das 29:28 (15:13) der SG Langenfeld (SGL) im Halbfinale des Verbandspokals (HVN) bei Regionalliga-Konkurrent SG Ratingen war ein Start-Ziel-Sieg. Von Beginn an führten die Gäste an der Gothaer Straße, und immer dann, wenn die Partie zugunsten der Hausherren hätte kippen können, machten die sich entweder mit Fehlern das Leben selber schwer oder die SGL hatte eine Antwort parat (einen ausführlichen Spielbericht finden Sie hier).

Die SGL überraschte die SGR ein wenig damit, dass sie von Anfang an auf den siebten Feldspieler setzte, also den Torwart im Angriff vom Feld nahm, um dann vorne in Überzahl spielen zu können. „Das hatten die Ratinger nicht so auf dem Schirm“, freute sich SGL-Trainer Markus Becker und ergänzte: „Das haben wir sehr gut genutzt, wir spielen das aber auch ein Stückweit anders als andere Mannschaften mit den zwei Kreisläufern.“ Und die postierten sich auffällig oft auf der linken Deckungsseite der Ratinger, wo in Alexander Oelze zwar der Top-Torjäger, aber kein Abwehrexperte stand. Da zudem einer der Kreisläufer meist auch Ole Völker war, bestand immer die Gefahr, dass der eigentliche Rück­raumspieler sich vom Kreis löst und selbst zum Abschluss kommt.

Weitere Probleme bekamen die Ratinger durch André Moser und André Boelken – beide sind nicht die wurfgewaltigsten Akteure, aber ungemein spielstark und wirbelten so die Abwehr der SGR ordentlich durcheinander. „Die Achse Moser/Boelken war richtig gut“, fand auch Becker, der ergänzte: „Generell haben wir eine hohe Laufbereitschaft gerade in den Kreuzbewegungen gehabt. Taktisch lief es gut, wenn die Ratinger tief standen, haben wir zwei, drei Tore aus dem Rückraum gemacht, so dass sie wieder rauskommen mussten, wodurch wir wieder Platz für unsere Spielzüge hatten.“ So verkraftete sein Team den Ausfall von Torjäger Felix Korbmacher glänzend. Selbst als Moser sich am linken Knie verletzte und in den letzten neun Minuten nicht mehr spielen konnte, gab es keinen Bruch im Langenfelder Spiel. Über seinen Routinier sagte Becker: „Ich kenne ihn. Der wird Donnerstag pausieren und Samstag spielen.“ Dann geht es in der Liga nach Remscheid.

Ohne Moser steuerte Boelken das Spiel gut zu Ende und meinte danach: „Gegen Ratingen sind es immer Spiele auf Augenhöhe. Dass wir nach den letzten Wochen mit all der Doppel-Belastung so ein Spiel hingelegt haben, an unsere Grenzen gegangen sind, und es gewonnen haben, obwohl uns Felix Korbmacher gefehlt hat, ist schon geil.“

Nicht nur offensiv, auch defensiv stellte die SGL die Ratinger vor Probleme mit ihrer 5:1-Abwehr und Vizenz Preissegger auf der vorgezogenen Position. Der dämmte die Wege von Oelze auf der Mitte und Filip Lazarov auf Halblinks gut ein, zudem machten es die fünf defensiven Abwehrspieler gut: Mit einem „diagonalen Raus-Switchen der Halben“, wie Becker es nannte, wurden die Passwege von der Mitte zu den Halb-Angreifern erschwert

Das entschuldigt allerdings keineswegs die hohe Fehlerquote der Ratinger, bei denen sich unter anderem Marco Bauer zwei einfache Ballverluste im Eins-gegen-Eins leistete oder Thomas Bahn zweimal in Halbzeit zwei den Ball ins Seitenaus warf. Das Auslassen klarer Torchancen – je ein Gegenstoß von Maik Ditzhaus und Yannik Nitzschmann, je ein Siebenmeter von Oelze und Lazarov – kam hinzu. Auch eine eigentliche Stärke der Ratinger kam überhaupt nicht zum Tragen: das Kreisläuferspiel. Erst in der 38. Minute führte ein Anspiel an Christian Mergner zum ersten Kreisläufertor der SGR, er legte auch direkt das 19:20 im nächsten Angriff nach – das war es von dieser Position. Und dass die Hausherren es in Durchgang zwei nur noch zweimal schafften, Rechtshänder Nitzschmann auf Rechtsaußen freizuspielen, der in Halbzeit eins vier von vier Versuchen getroffen hatte, beraubte sie einer weiteren Stärke.

Und dann war da noch die Abwehr. „29 Gegentore zu Hause sind gut für die Zuschauer, aber nicht für uns“, grantelte SGR-Trainer Ace Jonovski, der als Ex-Abwehrchef der mazedonischen Nationalmannschaft natürlich ein ganz besonderes Augenmerk auf die Deckung legt. „Der Innenblock stand schlecht, war nicht aggressiv genug, fast schon lustlos. Wir kriegen Tore vom Kreis oder von sieben Metern. Manchmal stand die Abwehr zu nah, manchmal zu weit weg, in jedem Fall nie konstant. Das Abwehr-Torhüter-Paket funktionierte dadurch nicht“, ärgerte sich Jonovski, der Nils Thorben Schmidt, der 13 Paraden gezeigt hatte, aus der Schelte ausnahm. Bitter fand der Trainer auch die doppelte Unterzahl in der 55. Minute bei 25:26-Rückstand: Erst hatte Nitzsch­mann hinten an SGL-Linksaußen Julian Schulz drangehangen, dann langte Bahn zu, die Zeitstrafe kassierte aber Mergner, womit Bahn seiner dritten Hinausstellung und der Roten Karte entging. „In dieser wichtigen Phase können wir uns keine zwei Zeitstrafen leisten“, sagte Jonovski. „Aber Yannik ist jung, er muss daraus lernen. Wir alle müssen aus diesem Spiel lernen.“

Becker und die SGL haben den Ratingern dafür sicher jede Menge aufgezeigt.

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