Lokalsport Selbstversuch in Selbstverteidigung

Ratingen · Unser Autor machte ein Probetraining bei der Kampfsport-Akademie. Sein Fazit: Wing-Tsjun kann auch weh tun.

 Nils Jewko tritt gegen die von "Sifu" Tobias Kleinhans gehaltene Matte. Der Gesichtsausdruck verrät Anstrengung.

Nils Jewko tritt gegen die von "Sifu" Tobias Kleinhans gehaltene Matte. Der Gesichtsausdruck verrät Anstrengung.

Foto: Achim Blazy

Ständig lieg ich auf dem Boden. Bestimmt fünfzehn Mal falle ich nach einem Schubser von Ausbilder Kevin Ebelt mit dem Rücken auf das Parkett und muss dabei gleich mehrere Dinge beachten. Wie falle ich richtig, ohne mich zu verletzen? Und welche Abwehrhaltung muss ich mit meinen Händen und Füßen einnehmen, um mich aus meiner misslichen Lage zu befreien? Was bei Ebelt und Sifu (Lehrmeister) Tobias Kleinhans zunächst so spielend leicht aussieht, erweist sich bei meinem Besuch in der Kampfkunst-Akademie Ratingen als anspruchsvolle Lektion im Umgang mit einer Gefahrensituation. Schließlich müssen bei dieser Übung viele Automatismen greifen, um nicht - wie es bei mir teilweise der Fall war - mit schmerzverzerrtem Gesicht und auf dem Boden zu landen.

Das ist allerdings nur eine von vielen Techniken, die den Schülern beim Wing Tsjun beigebracht werden. "Es ist die effektivste Form der Selbstverteidigung. Zwar ist das System über 300 Jahre alt, aber es hat sich ständig weiterentwickelt und angepasst", betont Kleinhans und ergänzt: "Gleichzeitig hat es einen positiven Nebeneffekt. Es werden einem Schüler nicht nur die Kampftechniken beigebracht, sondern es wird auch sein Selbstbewusstsein gestärkt."

Und dadurch soll eine Auseinandersetzung bereits im Vorfeld verhindert werden, wie mir Kleinhans während einer Einführung erklärt. Mittlerweile gebe es fünf Phasen des Kampfes, erläutert der Lehrmeister, angefangen bei der Blickphase über die Ansprechphase bis hin zum richtigen Kampf. Präventive Maßnahmen wie ein bewusstes siezen des aggressiven Gegenübers und eine simple Aufforderung ("Lassen Sie mich in Ruhe") sollen keine Angriffsfläche bieten und deeskalierend wirken.

Schnell wird mir allerdings klar: Bestimmte Regeln sowie Disziplin und Respekt sind auch wichtige Grundelemente des Trainings. Zu Beginn und am Ende der Einheit muss ich mich vor mehreren großen Lehrmeistern des Wing Tsjun, deren Bilder eingerahmt an der Wand hängen, verbeugen. Mein T-Shirt muss ich in die Hose stecken und immer wenn ich meine Hände in die Hüfte lege, werde ich von Ebelt prompt ermahnt. Und die Kleiderordnung verrät noch etwas: Denn Schüler tragen hier ein weißes T-Shirt, Lehrmeister ein schwarzes T-Shirt mit rotem Emblem und Ausbilder ein schwarzes Shirt mit weißem Emblem.

Zur letzten Kategorie zählt auch Kevin Ebelt, der über einen Flyer auf Wing Tsjun aufmerksam geworden ist und die Kampfkunst seit mittlerweile sieben Jahren betreibt. "Es macht wahnsinnig viel Spaß und die Trainingsgruppe ist wie eine kleine Familie. Man macht schnell Fortschritte und ich schätze daran besonders die Einfachheit und Effektivität - auch wenn ich es zum Glück noch nicht in meiner Freizeit anwenden musste", berichtet der 28-jährige Ratinger.

Gänzlich lassen sich brenzlige Situationen im Alltag jedoch nicht ausschließen. Um der Lage schnell Herr zu werden, lerne ich noch eine universale Abwehr: den Keil. Mit meinem Armen forme ich eine Art Dreieck vor meinem Oberkörper und mache dabei einen Schritt auf den Angreifer zu. "Der Keil hat die Wirkung eines Bugs von einem Eisbrecher. Er leitet die Angriffe ab", erklärt Kleinhans.

Und obwohl es durchaus anstrengend ist, ist Selbstverteidigung nicht nur sinnvoll, sondern bereitet im Training als Gruppe auch eine Menge Spaß. Auch wenn meine Knochen am nächsten Tag einer anderen Meinung waren.

(new)
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