Serie Fußballfans in Ratingen (Teil 8) Ein „verrückter Ratinger“ im Breisgau

Ratingen · Ratingen ist eine fußballbegeisterte Stadt – mit breit gefächerten Sympathien. In unserer Serie berichten Anhänger unterschiedlicher Vereine über die Liebe zu ihrem Klub, ihre schönsten Fan-Erlebnisse, -Rituale und -Träume. Heute mit Sascha Schims, der seit seinem achten Lebensjahr Fan des SC Freiburg ist.

 Herzstück der heimischen Renovierung bei Sascha Schims ist seine selbstgestaltete „SC-Freiburg-Wall“.

Herzstück der heimischen Renovierung bei Sascha Schims ist seine selbstgestaltete „SC-Freiburg-Wall“.

Foto: Achim Blazy (abz)

Platz acht in der Abschlusstabelle, das neue Stadion kurz vor der Fertigstellung. Als Anhänger des SC Freiburg hat man dieser Tage viel Freude – auch in Ratingen. Sascha Schims ist gerade mit begeisternden Eindrücken zurück von einem Kurz-Trip in seine „sportliche Heimat“. Mit Blick auf das aktuell diskutierte Vorhaben, die Stadien bei Spielen zumindest teilweise wieder für Fans zu öffnen, sagt er: „Besser nur heimische Fans, als gar keine“. Und zu denen zählt er in Freiburg ohne Wenn und Aber, obwohl er rund 480 Kilometer von der Spielstätte seines Herzensvereins entfernt wohnt.

Dafür ist der waschechte Dume­klemmer im Breisgau bekannt und berüchtigt. „In Freiburg nennt man mich: ‚unser verrückter Ratinger‘“, sagt Schims, „aber, da ist auch was dran. Ich lebe mein Fan-Sein volle Lotte.“ Seit rund drei Jahren ist er im Fan-Klub „District 79 Supporters“ aktiv, „als einziger Auswärtiger“, wie er betont. Vereinsmitglied ist er schon seit acht Jahren. Doch noch viel länger ist die Geschichte seiner Anhängerschaft. Sie beginnt in seinem achten Lebensjahr.

Mitte der 1980er-Jahre, als der SCF ein unscheinbares Zweitliga-Dasein fristete und sogar in der eigenen Stadt in Sachen Popularität dem Lokalrivalen Freiburger FC hinterherhinkte, wurde Sascha von seinem Großvater zu einem Heimspiel mitgenommen. „Eigentlich ein Zufall“, erinnert er sich. „Opa hatte da Kumpels, und es hieß: ‚Komm‘, wir gehen ein bisschen Fußball gucken‘. Und mir hat das da einfach gefallen.“ Ein Eindruck, der ihn dauerhaft mit dem Klub verbinden sollte.

„Und je älter ich wurde, umso mehr habe ich angefangen, das Fan-Sein zu leben.“ Es folgten erste eigenständige Besuche von Freiburger Spielen, parallel dazu der sportliche Aufschwung, die Ära der „Breisgau-Brasilianer“, mit Bundesliga-Aufstieg, der den Sport-Club häufiger in die Umgebung von Ratingen brachte. Als er dann auch noch über soziale Netzwerke aus der Freiburger Fan-Szene kontaktiert wurde, nahm seine aktive Anhängerschaft weiter Fahrt auf. „Da wurde es noch intensiver“, sagt Schims, „und von da ab bin ich häufiger auch zu Heimspielen gefahren.“

Längst geht es für den 42-Jährigen „so oft wie möglich“ zum Fußball nach Freiburg, „mindestens einmal im Monat“. In NRW begleitet er seinen Klub ebenfalls nach Kräften. Und sogar ein Europacup-Spiel hat er in seiner Fan-Vita stehen: 2013 gegen Sevilla. Bei Spielen in Freiburg ist er bei Freunden einquartiert, bei Spielen im Westen bringt er die Freunde bei sich in Ratingen unter. „Immer ein ganzes Wochenende“, sagt Schims, „und dann machen wir zusammen die jeweilige Stadt unsicher.“

Im Stadion ist er stets auf den Stehplätzen anzutreffen, daheim auf der Nordtribüne wie auswärts im Gästeblock, „immer mittendrin“. Und wenn er mal nicht vor Ort dabei sein kann, setzt er sich stilecht zu Hause vor den Fernseher – mit Trikot und Tannenzäpfle-Bier.

Überhaupt trägt Schims seine Herkunft in Freiburg ähnlich offen zur Schau wie daheim seine SCF-Liebe. Als der leidenschaftliche Schützenbruder vor drei Jahren Kompanie-König wurde, stattete er seine Grenadiere kurzerhand mit Schwarzwald-typischen Bollenhüten aus, während er selbst sich im SCF-Trikot feiern ließ. In Freiburg wiederum hat er seine Ratingen-Fahne immer mit dabei. Und seit vergangener Woche hängt in einer dortigen Fan-Kneipe ein Schal von Germania Ratingen 04/19.

Dass der SC Freiburg mittlerweile zum größten Verein in Baden gewachsen ist, hindert ihn nicht daran, sich seinen ursprünglichen Charme zu erhalten, wie Schims versichert: „Freiburg ist so etwas wie das kleine gallische Dorf. Ein Verein, der aus sehr wenig sehr viel macht.“ Etwas, womit sich der gebürtige Ratinger vollends identifiziert: „Du musst hart arbeiten, um im Leben etwas zu erreichen. Und da ist mein Verein wie ich selbst.“

Dabei erlebt er seinen Klub als „sehr, sehr familiär“ – was natürlich auch für die Fans gelte: „Sie sind sympathisch, herzlich und freundschaftlich und feiern auch zusammen mit den Fans des Gegners.“ Und zu feiern gibt es sportlich in Freiburg seit Jahren reichlich. „Erste Liga spielen – das ist unsere eigene Meisterschaft.“ Und wenn es doch mal wieder runter gehen sollte? „Absteigen tut weh, aber du weißt: Mit der Truppe geht’s wieder bergauf“, vertraut Schims auf eine weitere Besonderheit des Vereins: „Man bleibt ruhig und setzt auf Kontinuität, auch in Krisen-Zeiten wird nicht alles infrage gestellt.“

Was bleiben da noch für Wünsche? „Weiter in der Bundesliga spielen zu dürfen und die großen Vereine zu ärgern“, nimmt Schims sich bescheiden aus. Einen „Traum“ gestattet er sich dennoch: „Einmal bei einem internationalen Auswärtsspiel dabei zu sein, gerne in England oder Spanien.“

Bis dahin pendeln Sascha Schims und sein Fan-Klub zwischen Ratingen und Freiburg. Und wer ihnen zufällig über den Weg läuft, für den gibt‘s eigentlich nur zwei Möglichkeiten, wie er augenzwinkernd betont: „Entweder Reiß-Aus-Nehmen oder mitfeiern, wobei das etwas härter werden könnte.“ Aber mit Sicherheit stimmungsvoll – wie immer mit den Freiburger Fans und ihrem „verrückten Ratinger“.

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