Segelfliegen Unter den Wolken herrscht schöne Stille

Ratingen · Im Segelflieger gleitet man lautlos über die Region. Unser Autor hat es beim Aero-Club Ratingen ausprobiert - und war begeistert

 Aero-Club-Vorsitzender Wolfgang Meurer überprüft den richtigen Sitz des Headsets bei RP-Redakteur André Schahidi - kurz danach kann es losgehen.

Aero-Club-Vorsitzender Wolfgang Meurer überprüft den richtigen Sitz des Headsets bei RP-Redakteur André Schahidi - kurz danach kann es losgehen.

Foto: Blazy, Achim (abz)

Und plötzlich ist es still. Fast lautlos gleitet das Flugzeug dahin, als Wolfgang Meurer mitten in der Luft den Motor ausschaltet. Ganz kurz beschleicht mich ein mulmiges Gefühl. Ich. Im Flugzeug. Ohne Antrieb. Doch Meurer, Vorsitzender des Aero-Clubs Ratingen, plant keine Harakiri-Aktion: Er nutzt schlicht die Vorzüge eines so genannten Motorseglers, der mit und ohne Motor-Unterstützung durch die Luft gleiten kann. Der Pilot hat seine Maschine im Griff. Und so hört man nur noch den Flugwind. Ganz leise.

Nun ist es plötzlich möglich, die Aussicht in 300 Metern Höhe ohne Nebengeräusche zu genießen. Der Baldeneysee in Essen leuchtet wunderbar hellblau, ist aber farblich trotzdem kein Vergleich zum Gewässer direkt neben den Kalksteinwerken in Wülfrath. Dort sieht das Wasser direkt aus der Luft aus wie ein Strand in der Karibik. „Die Farbe ist großartig, oder?“, fragt Meurer. Er weiß, wie er seinen Fluggast beeindrucken kann. Das erledigt aber auch schon die pure Aussicht auf den Kalksteinbruch selbst, der in seiner Größe und Tiefe wie ein Canyon in den USA wirkt.

Ich verstehe schon bald, was Segelflieger an ihrem Hobby begeistert. Es ist diese Mischung aus Abenteuer und Entspannung, die süchtig machen kann. Die Winde katapultiert das kleine Flugzeug beim Start  in drei, vier Sekunden auf hundert Stundenkilometer. Da kann kaum ein Auto mithalten. In der Luft geht es dann darum, Aufwinde zu nutzen, mit denen sich die Flieger nach oben kreiseln.

 Segelflug über dem Baldeneysee und Kalkwerke Wülfrath

Segelflug über dem Baldeneysee und Kalkwerke Wülfrath

Foto: André Schahidi

Das ist gar nicht so einfach. Doch wenn es klappt, schraubt sich so ein Flieger stetig hoch. Ein erhabenes Gefühl. Und deshalb leben und lieben Segelflieger ihren Sport. „Wenn jemand bei uns fliegen geht, ist er von morgens bis abends auf dem Flugplatz. Das gehört auch zur sozialen Komponente dazu“, sagt Meurer. „Denn Fliegen ist nicht nur das bloße in die Luft gehen. Dazu gehört auch, den anderen bei ihren Flügen zu helfen.“ Bis zu fünf Personen sind notwendig, um einen Segelflieger in die Luft zu bekommen. Der Pilot, ein Anschieber, derjenige, der die Winde betreut, mit der das kleine Leichtbaugefährt in die Luft gezogen wird. Dann gibt es noch die Flugleitung und eine Person in einem präparierten Auto, die die Leine zurück zur Abflugposition bringt.

Doch auf dem Flugplatz Meiersberg in Heiligenhaus hilft man sich gegenseitig gern. Sogar vereinsübergreifend. Die Anlage gehört nämlich dem Sportflugclub Niederberg, der Ratinger Aero-Club mietet sich ein. Konkurrenzdenken gibt es jedoch nicht zwischen den beiden Vereinen. „Wir helfen einander“, betont Markus Kroker, Vorsitzender der Niederberger. Streit um Mitglieder gibt es nicht: „Wir haben die Regelung, dass Interessenten aus Ratingen zum Aero-Club kommen und welche aus Heiligenhaus zu den Niederbergern.“ 77 Mitglieder hat der Aero-Club, die Heiligenhauser haben doppelt so viele. Und eine Fusion? „Da wurde mal drüber nachgedacht“, gibt Meurer zu. „Aber das ist bei Vereinen gar nicht so einfach. Sie wissen ja.“

 Max vor seinem Start mit Lehrer Axel Graf vom Sportclub Niederberg.

Max vor seinem Start mit Lehrer Axel Graf vom Sportclub Niederberg.

Foto: Blazy, Achim (abz)

Max Michalski ist 14 Jahre alt und bereitet sich gerade auf seinen fünften Flug vor. Er ist ein Aero-Club-Mitglied, sein Lehrer Axel Graf gehört zu den Niederbergern. Die gelbe Holzmaschine präpariert der Junge gewissenhaft, bevor er sich selbst in die Luft ziehen lässt. „Das macht mir riesig Spaß“, sagt Max, der sich von seiner Mutter begleiten lässt. Kinder wie Max sind die Hoffnung der beiden Fliegerklubs. „Wir haben wie alle Vereine Probleme, Nachwuchs zu finden“, sagt Meurer. Hinzu kommt, dass Segelfliegen nicht unbedingt ein ganz günstiges Hobby ist. Drei Jahre dauert die Ausbildung bis zum Flugschein, der Jahresbeitrag kostet zwischen etwa 400 und 550 Euro, je nach Alter. Hinzu kommt eine Aufnahmegebühr von 600 Euro. Dafür gibt es jedoch das regelmäßige Gefühl, völlig frei zu schweben. Und ist das mit Geld wirklich aufzuwiegen?

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