Serie Fußballfans in Ratingen Zwischen Europa-Cup und Dörfer-Tour

Ratingen · Ratingen ist eine fußballbegeisterte Stadt – mit breit gefächerten Sympathien. In unserer Serie berichten Anhänger unterschiedlicher Vereine über die Liebe zu ihrem Klub, ihre schönsten Fan-Erlebnisse, -Rituale und -Träume. Diesmal Daniel Möllmann aus Lintorf über den KFC Uerdingen.

 Daniel Möllmann hält in Lintorf die Farben des KFC Uerdingen hoch – zusammen mit dem „Grotifanten“.

Daniel Möllmann hält in Lintorf die Farben des KFC Uerdingen hoch – zusammen mit dem „Grotifanten“.

Foto: Achim Blazy (abz)

Wenn Daniel Möllmann sich als Anhänger seines Vereins zu erkennen gibt, hört er immer zwei Dinge: Erstens: „Euer Präsident…“, zweitens: „Früher wart ihr ja super“. Tatsächlich sind beides zentrale Themen für einen Fan des KFC Uerdingen. Doch als solcher hat Möllmann in den vergangenen Jahrzehnten noch deutlich mehr erlebt: vom Vereinsnamen-Wechsel über eine beispiellose sportliche Achterbahnfahrt bis hin zu Heimspielen in der Fremde. Seine Verbindung zum Klub ist dadurch nur gestärkt worden.

Als der gebürtige Uerdinger vor 38 Jahren nach Lintorf zog, hieß sein Heimatverein noch Bayer 05 Uerdingen und pendelte zwischen Erster und Zweiter Liga. „Da war ich neun Jahre alt und hatte gerade erst Interesse für den Fußball entwickelt“, erinnert sich Möllmann, „und da begann für Uerdingen eine überragende Zeit.“ Tatsächlich etablierte sich der Werksverein aus dem Krefelder Industrie-Stadtteil ab 1983 auf höchstem Niveau. „Das war unsere goldene Ära“, sagt Möllmann mit Verweis auf Erfolge wie den Pokaltriumph (1985) und den dritten Platz in der Bundesliga (1986), die er verbindet mit Namen wie Trainer Feldkamp, Herget, Schäfer, Vollack („Mein Idol, ich war selber Torwart“) oder den Funkel-Brüdern. Die sah er zu dieser Zeit in der altehrwürdigen Grotenburg-Kampfbahn ebenso „live“ im Uerdinger Trikot, wie später die angehenden Weltstars Chapuisat, (Brian) Laudrup und Bierhoff.

Den DFB-Pokalsieg erlebte Möllmann daheim vor dem Fernseher – gebannt von der Uerdinger Leistung: „Das Pokalfinale war für mich unser größtes Spiel, da hab’ ich mit offenem Mund gestaunt, wie überlegen wir da den Münchner Bayern waren.“ Als in der darauffolgenden Saison dann ganz Fußball-Europa über Uerdingen staunte, verpasste Möllmann das „Wunder von der Grotenburg“: Der eigentlich fest vorgesehene Stadion-Besuch zum Europapokal-Spiel gegen Dynamo Dresden wurde wegen einer bevorstehenden Mathe-Arbeit gestrichen. Und das war besonders ärgerlich, da jener spektakuläre 7:3-Sieg inklusive spezieller Europacup-Arithmetik einer schulischen Zahlenprüfung bestimmt in nichts nachstand.

Doch bald darauf endete für Möllmann und Uerdingen die Zeit der großen Spiele. Und als sich 1995 die Bayer AG herauszog, geriet der Verein durch den Wegfall des Hauptsponsors in finanzielle und sportliche Schwierigkeiten. In den Folgejahren stürzte der nun in KFC Uerdingen 05 umbenannte Klub bis in die Sechstklassigkeit (!) ab – für Möllmann gleichwohl eine äußerst spannende Zeit: „Das war Fußball in seiner ursprünglichen Form,“ schwärmt er noch heute von einer „besonderen Atmosphäre“. Und von besonderen Vorkommnissen: „Da sind dann schon mal seitens des Publikums Schirme auf den Platz geworfen worden. Es ist einfach härter da unten.“

Das galt vor allem auch für die Ergebnis-Beschaffung: „Da hast du an irgendwelchen Live-Tickern gehangen, denn in der sechsten Liga an Spielinfos zu kommen, war schwierig.“ Große Vorteile gab es dafür bei Besuchen von Auswärtsspielen: „Da bist du einfach hingefahren, auch ganz kurzentschlossen, hast einen Zehner hingelegt und dafür zwei Stunden pure Unterhaltung erlebt.“

Der Abschied von dieser „Über die Dörfer“-Romantik wurde 2016 mit dem Einstieg des russischen Investors Mikhail Ponomarev eingeläutet. 2017 noch Fünftligist, ist der KFC nun schon im zweiten Jahr hintereinander immerhin wieder in der Dritten Liga. Möllmann kennt die Kritik an dieser Art des Erfolgs-Modells und verteidigt den KFC-Präsidenten: „Die Leute, die da schlecht über Herrn Ponomarev sprechen, haben keine Ahnung. Er ist immer da, volksnah, und man kann sich zu ihm setzen und mit ihm reden. Ich bin froh, dass wir mit ihm die Chance bekommen, uns wieder im Profifußball zu etablieren.“

Mit der Zugehörigkeit zu Liga Drei ist Möllmann aktuell übrigens ganz glücklich: „Ich finde die Liga toll! Sie ist von den deutschen Profiligen am interessantesten, spielerisch am engsten.“ Richtig gut gefallen haben dürfte ihm natürlich der 2:0-Sieg des KFC am vergangenen Samstag beim MSV Duisburg.

Einen dicken Wermutstropfen hat Möllmann aber: Dass der KFC seit der Rückkehr in die Dritte Liga – und damit seit bald zweieinhalb Jahren – wegen Mängeln im eigenen Grotenburg-Stadion kein wirkliches Heimspiel mehr ausgetragen hat und deshalb aktuell seine Gäste in der ungeliebten Düsseldorfer Arena empfängt. „Es ist einfach nicht dein Stadion“, beschreibt er, „es fehlt das Heimatgefühl.“ Das, was er sonst immer hat, „wenn ich mit dem Fahrrad über den Rhein fahre, schon von Weitem die Flutlichtmasten sehe und die Vorfreude kommt: Jetzt fährste zum Fußball!“. Zur Grotenburg hat Möllmann ohnehin eine besondere Verbindung, ließ er doch hier sogar sein Hochzeits-Foto machen.

Trotz „auswärtiger Heimspiele“ und vorbehaltlich aktueller Corona-Einschränkungen versucht der Wahl-Lintorfer so viele KFC-Spiele wie möglich „live“ zu verfolgen. Doch ob Stadion oder nicht: Sein Trikot trägt er an jedem Spieltag, auch vorm Fernseher. Sein Glücksbringer zu Hause ist eine Figur des Klub-Maskottchens „Grotifant“. Und in Ratingen weiß er eine durchaus schlagkräftige KFC-Reisegruppe um sich: Einen Uerdingen-Freund, dazu zwei weitere Kumpels, die eigentlich Fans anderer Vereine sind, aber gerne mal mit zum KFC kommen, auch gerne auswärts.

Eines seiner Reise-Highlights war das erfolgreiche Aufstiegsspiel 2018 in Mannheim: „40 Grad im Schatten, und dann kommt die Stadion-Durchsage: ‚Leute, es gibt nur noch Bier zu trinken‘ – und das, während die Menschen schon zum Abkühlen in die Toilettenräume mussten.“ Entspannter wurde dafür die Rückfahrt: „Da hat man sich an der Autobahnraststätte getroffen und ist das Spiel nochmal durchgegangen.“

Aber auch im längst heimischen Ratinger Norden tummelt sich der heute 47-Jährige gerne zum Fußball-Schauen: „Ich liebe es, gute Spiele in der Kneipe zu schauen. Da hast du alle möglichen Trikots rumlaufen, alle stehen zusammen bei einem Bier, und man versteht sich super!“.

Und wenn man ihn fragt, wohin die wilde Reise des KFC gehen soll, antwortet Möllmann lachend: „Zur Grotenburg“, und verleiht damit der Sehnsucht nach „richtigen“ Heimspielen Ausdruck. Dann schiebt er nach: „Irgendwann wieder hoch in die Bundesliga, und am liebsten im eigenen Stadion aufsteigen!“ Und dahin dann sicherlich von Lintorf aus mit dem Fahrrad…

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort